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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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wäre Ketzerei, und doch behaupten viele, genau zu wissen, was nach ihrem Tod passieren wird. Das ist absurd.«
    »Lass das meinen Vater nicht hören«, sagt Will lächelnd.
    »Den Priester«, sage ich.
    »Er ist ein guter Mensch«, sagt Will. »Ich glaube an den Himmel, weißt du. Warum, kann ich nicht sagen. Vielleicht, weil ich es will. Ich bin nicht besonders religiös, aber du kannst nicht mit einem Vater wie meinem aufwachsen, ohne auch etwas davon in deinem Blut zu haben. Vor allem, wenn er so ein anständiger Mann ist.«
    »Was ich von meinem nicht behaupten kann«, sage ich.
    »Dem Metzger von Brentford.«
    »Chiswick.«
    »Brentford passt schon. Und es klingt besser.«
    Ich nicke und reibe mir die Augen. Ich fühle mich jetzt richtig müde. Vielleicht ist es Zeit, Gute Nacht zu sagen und in meinen Fuchsbau zu verschwinden, um etwas zu schlafen.
    »Das an dem Abend«, sagt Will, und ich drehe nicht den Kopf, und ich hebe auch nicht den Blick, sondern sitze nur reglos da, so reglos, wie meine Hände noch vor ein paar Minuten waren. »Vorher, meine ich.«
    »In Aldershot?«, frage ich.
    »Ja.« Er zögert. »Das war komisch, oder?«
    Ich atme schwer durch die Nase und überlege. »Wir hatten Angst«, sage ich. »Vor dem, was kommen würde, meine ich. Es war ja nicht geplant.«
    »Nein«, sagt er. »Nein, natürlich nicht. Ich meine, ich habe immer gedacht, dass ich vielleicht mal heirate. Mit ein paar Kindern und so. Willst du das nicht, Tristan?«
    »Eigentlich nicht«, sage ich.
    »Ich schon. Und ich weiß, dass meine Eltern sich das auch wünschen.«
    »Und die sind dir so wichtig?«, frage ich bitter.
    »Das sind sie«, sagt er. »Aber dieser Abend …«
    »Was ist damit?«
    »Hast du je vorher an so was gedacht?«, fragt er und sieht mich jetzt direkt an. Im Kerzenlicht kann ich erkennen, wie seine Augen wässrig werden, und ich will ihn umarmen, ihn halten und ihm sagen, dass es mir reicht, wenn er einfach nur wieder mein Freund sein will. Ich kann auch ohne den Rest leben, wenn es sein muss.
    »Das habe ich«, sage ich leise und nicke. »Ja, ich glaube, es ist … es ist da, meine ich. In meinem Kopf. Ich habe natürlich versucht, es loszuwerden.« Ich zögere, und er starrt mich an und wartet darauf, dass ich fortfahre. »Es ist nicht richtig«, gebe ich zu. »Es war schon da, bevor ich es überhaupt wusste.«
    »Man hört von Männern«, sagt er. »Es gibt Gerichtsfälle, man kann es in der Zeitung lesen. Aber es scheint alles so … so ekelhaft, denkst du nicht? Die Geheimnistuerei, die Ausflüchte. Diese ganze schmutzige Schäbigkeit.«
    »Aber das machen sie ja nicht freiwillig so«, sage ich und achte sorgfältig auf die richtigen Worte. »Sie haben keine Wahl, sie müssen es heimlich tun. Ihre Freiheit hängt davon ab.«
    »Ja«, stimmt er mir zu. »Ja, das habe ich auch schon überlegt. Trotzdem habe ich immer gedacht, dass es schön wäre, verheiratet zu sein. Du nicht? Mit einem netten Mädchen aus einer guten Familie. Einer, die ein glückliches Zuhause möchte.«
    »So wie es sich gehört«, sage ich.
    »Ach, Tristan«, seufzt er und rückt näher – das sagt er jetzt zum dritten Mal –, und bevor ich etwas antworten kann, liegt sein Mund auf meinem, drängend, und ich bin so überrascht, dass ich fast hintenüberfalle. Aber ich vermag mich aufrecht zu halten und lass es geschehen, wobei ich mich frage, an welchem Punkt ich mich gehen lassen und es einfach genießen darf.
    »Warte«, sagt er, weicht zurück und schüttelt den Kopf, und ich denke schon, er hat es sich anders überlegt, doch das Verlangen und die Dringlichkeit in seinem Blick sprechen eine andere Sprache. »Nicht hier«, sagt er. »Hier könnte jemand auftauchen. Komm mit.«
    Ich stehe auf, als er aus dem Zelt geht, laufe hinter ihm her, renne fast, um ihn in der Dunkelheit der Nacht nicht zu verlieren, weg von den Gräben, und das so zügig und so weit, dass ein Teil von mir schon Angst hat, es könnte bereits als Fahnenflucht gelten. Ein anderer Teil fragt sich, wie schnell er seine versteckte Stelle finden wird. War er schon einmal dort? Mit einem anderen? Mit Milton oder Sparks vielleicht? Oder einem der neuen Rekruten? Endlich scheint er sich sicher zu fühlen, dreht sich zu mir um, und wir legen uns hin, und sosehr ich das hier auch will, sosehr ich ihn will, muss ich doch an den Abend in Aldershot denken, und wie er mich hinterher angesehen hat. Dass er seitdem bis heute kaum ein Wort mit mir geredet hat.
    »Diesmal

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