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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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hat ihn einen Kopf kürzer gemacht.«
    »Wollen sie mich zum Narren halten?«
    Jérôme schüttelte den Kopf.
    »Keiner kann es sich erklären. Wir suchen nach seinem Mörder und dachten, Sie könnten uns etwas über Ihr Treffen mit ihm berichten; irgendetwas, das uns weiterhilft.«
    »Kriminalpolizei?«, fragte Plamann konsterniert wie jemand, der so manches auf dem Kerbholz hat.
    Jérôme nickte.
    »Dürfen hier kein Aufsehen erregen! Also, gab es etwas? Eine eigenartige Begleitung oder einen Verfolger? Hatte er vor etwas Angst? War er anders als zuvor?«
    Plamann dachte nach, dann schüttelte er den Kopf.
    »Nichts, nein, keinen, vor nichts, nein!«
    »Danke. Sie sollten sich vor Unbekannten in Acht nehmen und Orte wie diesen meiden. Gestern gab es einen weiteren Mord. Am besten Sie gehen mit Ihrer Truppe geschlossen nach Hause und verbarrikadieren sich ein paar Tage. Ich denke, länger wird es nicht dauern.«
    Die Tür ging auf und Körne wankte heraus. Julietta gähnte hinter ihm her. Plamann fing ihn auf. Wir indessen nutzten die Gelegenheit: Flugs waren wir im Napoleonzimmer. Sie wurde mit einem Mal überaus wach:
    »He, he! Mal langsam mit den jungen Pferden! Immer schön einer nach dem anderen! Hört ihr mich? (Zu mir:) Na, mein Süßer, bist du nicht noch ein bisschen jung und unerfahren? Dir muss ich ja die ganze Chose erst beibringen! (Zu Jérôme:) Und du? Bist du der Vater? Oder ein Freund, der es gut meint? Wie auch immer: Wer will mich zuerst besuchen? Beide zusammen, das wird teuer, ich sag’s euch!«
    Sie hatte auffallend schöne Brüste, wobei ich meine Vergleiche mehr aus der Malerei denn aus der eigenen unmittelbaren Anschauung bezog, denn ich war gegen Schwestern und Cousinen eher schamhaft gewesen und viele sonstige Gelegenheiten zu derlei Beobachtungen gab es nicht. Ihre Hand fuhr über meinen Hals, über mein Kinn ... da hatte sie plötzlich meinen angeklebten Bart in der Hand!
    »Oha, daher weht der Wind! Mademoiselle möchten zuschauen! Oder Monsieur?«
    Ich hielt die Zeit für gekommen, die Segel zu streichen – die Verstellung war nicht mehr nötig:
    »Weder noch, wir möchten beide eher zuhören! Bitte bedecken Sie sich, ich will nicht, dass der hier auf schlimme Gedanken kommt.«
    Ich zeigte auf Jérôme, als wäre er mein Leibeigener. Der Gute war viel zu anständig, um den Blick auf ihren Brüsten länger ruhen zu lassen. Ich hätte ihm eigenhändig den Hals umgedreht, wenn er es getan ...
    »Gut, gut, Schätzchen, aber du musst mir verraten, was hier gespielt wird«, sagte sie.
    Sie warf sich ein rotes, geblümtes Tuch um, sodass nur noch ihr Blondschopf herausschaute. Ihre zuvor müden Augen blitzten wach.
    »Wir suchen zwei Freunde«, improvisierte ich. »Man sagte uns, sie könnten hier gewesen sein.«
    »Wer hat das gesagt? Und wer sind die beiden?«
    »Geheimrat Humboldt hat es gesagt«, stellte ich klar. »Er war mit einem der beiden gestern Abend hier, einem Engländer, sehr gepflegt, sehr vornehm.«
    »Und sehr ... empfindlich!«, fügte Jérôme hinzu.
    Julietta hatte sich auf das Bett gesetzt, das neben einem Kleiderschrank und einem Waschtisch das einzige Möbelstück war. Das Fenster war mit einem roten Vorhang verhängt. Ein Leuchter mit sieben Flammen hing an der Decke. Das Licht, das den Raum momentan erhellte, kam jedoch von einem dreiarmigen Leuchter auf dem Waschtisch.
    »Der gute Humbi, er ist immer so großzügig. Oh, und ich kann mich auch an den Briten erinnern! Er wollte gar nichts. Saß nur einfach da und brütete vor sich hin ... Seltsamer Kauz. Ich hätte ihm das Geld zurückgegeben, doch er schien keinen Wert darauf zu legen.«
    »War er verstört oder von etwas verängstigt?«
    »Ja, das kann man sagen. Er wäre am liebsten die ganze Nacht hier sitzen geblieben, aber meine Zeit hat ihren Preis, selbst wenn ich nur still daliege, weil einer es so haben will. Für Humbis Geld hatte ich ihm eine Stunde Gesellschaft geleistet. Mehr konnte er nicht verlangen.«
    »Wann war diese Stunde um?«
    »Gegen elf Uhr.«
    »Wissen Sie, wo er hinging?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber ich sah, dass ihm einer folgte, der zwei Stunden vor ihm bei mir gewesen ...«
    Sie schwieg beklommen.
    »Beschreiben Sie ihn bitte!«
    »Breite Schultern, muskulöse Oberarme. Das dunkle Haar von Grau schon durchzogen, eine kahle Stelle am Hinterhaupt.«
    Das ließ mich aufhorchen. Es passte auf Gomms, den Fährmann, der sich selbst dem Beilmörder ähnlich nannte. Wenn es allerdings

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