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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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uns. Schätze Sie und Ihren Gatten sehr! Bin wieder guten Mutes, der Sache vernünftiges Ende zu geben. Aufhören muss! Unwürdig sein unserer Ordnung! Gotteslästerliche Taten. Gebe Ihnen alle Unterstützung! Froh, dass Sie mir helfen. Gibt wichtige Dinge, Reformen. Sehr froh!«
    Der König hatte sich vor mir verneigt und meine Hand geküsst. Dann reichte er mir das Ergebnis:
    Wir, Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden,
König von Preußen, verfügen hiermit eigenhändig:
    Sein der Marquise de Lalande alle nötige Unterstützung zu geben in sekretem Auftrag. Insbesondere militärischen Stellen hiemit anbefohlen, rückhaltlos Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Werbe- oder Stammrollen oder Regimentslisten zu gewähren. Marquise de Lalande nur mir zum Rapport verpflichtet sein. Polizeiorgane hiermit angewiesen sein, Wünsche der Marquise als ausdrückliche königliche Ordre anzusehen. Versäumnisse der betroffenen Stellen und Organe mir gemeldet und von mir geahndet werden.
    Gegeben: Berlin, 2. Januar 1810 –
    Friedrich Wilhelm

13
    Die ersten Januarhälfte verstrich, ohne dass es einen weiteren Mord gegeben hätte. Kaum waren wir in Kanzow, kehrte auch das Berliner Leben rasch in gewohnte Bahnen zurück – die Menschen vergessen so schnell! Fast schon, als hätte man von den blutigen Vorfällen nur von ferne reden hören ... Auch war die Freude über die Anwesenheit von Königin und König so groß und aufrichtig, dass alles Dunkle in den Hintergrund trat. Hauptstadtthemen beherrschten wieder die Köpfe. Die neue Hofpolitik etwa fand eine höchst gemischte Resonanz. In der Spener’schen Zeitung sparte man nicht mit Kritik: Damen und Herren, die bislang nicht einmal im Traum daran gedacht hatten, hoffähig zu sein, erhielten plötzlich Einladungen, während diejenigen, die es gewohnt waren, in Hofgesellschaften immer nur einem ausgewählten Kreis von Freunden und Bekannten zu begegnen, sich darüber mokierten, sich im Gedränge der Foule bewegen zu müssen. Auf dem Land von diesen Problemen zu lesen ist immer spaßig.
    Als die Einladung zum Fest des erweiterten Roten Adlerordens an uns erging, war ich erst dagegen hinzufahren, weil mir solche russisch anmutenden Feste für die Menge nicht gefielen. Dann überzeugte mich Jérôme davon, dass es sehr töricht und außerdem unkriminalistisch wäre, fernzubleiben. Unkriminalistisch wäre es, da etwaige Bekannte der Opfer und eventuelle Augenzeugen sonst unbefragt ihrer Wege ziehen würden. Töricht dagegen wäre es, weil er selbst unter den zweihundert neu zu Dekorierenden war! Er hatte die Königin einmal aus schlimmster Frontgefahr bei Auerstedt sicher nach Berlin zurückgebracht, als ihre Kutsche brach, das war dem König eine schmückende Geste wert. Ich freute mich ehrlich für ihn – wiewohl es mich doch sehr wurmte, dass er den Orden bekam, obwohl er Kutsche fahren konnte, während ich die ganze Fahrt über die Königin bei Laune halten musste ... Als wir am Donnerstag, dem 18. Januar, in Berlin eintrafen – es war der Jahrestag der Krönung Friedrichs des Ersten –, waren wir durchgefroren wie schon lange nicht mehr. Nach dem Aufwärmen bei Evelyn ging es ins Schloss, wo im Weißen Saal die Auszeichnung der zweihundert Neuen in Anwesenheit der sechshundert Alten des Ordens erfolgte. Etwa tausend Angehörige und weitere geladene Gäste, zu denen auch ich zählte, ließen die salbungsvolle Predigt von Propst Kahlenbach über sich ergehen, die zum Glück nicht ewig währte. Von den Diensten fürs Vaterland war die Rede, von dem Feld der Ehre, von den Opfern, blablabla ... Ich hasste schon immer diese Art von törichtem Zivilistengeschwätz über Kriegsdinge.
    Endlich läuteten die Glocken. Während ich mich missgelaunt im dichten Schneetreiben von einem Seitenarm des Stromes der Zuschauer auf den Paradeplatz hinausziehen ließ, nur hin und wieder einen Blick auf die unheimlich wirkende Prozession der Ordensträger erhaschend, die aus dem mittleren Domkirchenportal herauskamen, um feierlich hinter dem König her zum Festessen in die Galerie des Schlosses hinüberzuschreiten, bemerkte ich zufällig, dass zwei dekorierte Figuren direkt nach dem Herausquellen seitlich wegdrifteten. Es sah so aus, als wäre einem der neu Dekorierten übel geworden. Der Zweite, ein äußerst starker Krieger, wie es schien, hatte ihn untergefasst. Mit Sicherheit war er auch für die Rettung eines verwundeten Kameraden aus der Schusslinie geehrt worden! Meine Fantasie ist einfach

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