Das spanische Medaillon
Lulu und die Edle von Lilienstein-Silves entgegnete lachend: »Sicher, es ist eine schöne, wenngleich traurige Geschichte. Ich kaufte es einem braun gebrannten Fährmann ab, der mich mit starken Schultern über die Havel zog in seinem Fährkahn, das ist erst ein paar Jahre her. Ich gab ihm einen fairen Preis, nicht dass Sie denken, ich würde solche Gelegenheiten ausnutzen. Ich sah, dass er das Geld brauchte. Ich habe ihn nicht gefragt, woher er es hatte. Er hatte es mir erst schenken wollen. O Gott, es war ein Tag, so heiß, dass die Holzplanken unter den bloßen Füßen brannten ...«
»Bloße Füße?«, argwöhnte Evelyn keuchend.
»Gomms!«, entfuhr es mir dagegen triumphierend: »Gomez!« Daher die seltsame Ähnlichkeit – und das Erstaunen des Schwarzen Reiters, als er des Fährmannes ansichtig ward. Daher Gomms akribische Zeichnung der Umrisse: Er kannte sie von seinem eigenen Familienerbstück. Doch sie ahnten nichts von ihrer Verwandtschaft.
»Es war also im Sommer, als Sie übersetzten?«, fragte ich Lulu. »Schließlich muss es an seinem starken Hals gebaumelt haben, wenn Sie es sehen konnten ...«
»O ja! Es war ein heißer Tag und ich habe mehr gesehen. Er war ein ... sehr gut gebauter Mann. Ich glaube, es war eine seiner längsten Überfahrten ...«
»Lulu!«, kreischte Evelyn, diese Hyäne. »Du willst doch damit nicht etwa sagen ...«
Mir war das ganz egal – ich freute mich sehr für die beiden, doch am meisten freute ich mich für mich.
»Hans Gomms und der Mörder waren vielleicht miteinander verwandt!«, rief ich aufgeregt.
»Vielleicht Geschwister?«, vermutete die flinke Evelyn.
»Da kannst du recht haben, meine Liebe! Ich habe viele sehr ähnliche Medaillons aus dem Besitz ein und derselben Familie. Man hat in reichen Kreisen so seine Gewohnheiten. Einmal Kunde von Vidal, immer bei Vidal.«
»Zwillinge?«, versuchte Evelyn weiter, die im Denken aber oft Flüchtigkeitsfehler machte und mit der Logik mitunter auf Kriegsfuß stand.
»Zwillinge, die unterschiedliche Namensheilige haben? Der heilige Hieronymus steht für den 30. September ...«
»Oh, ich war wieder zu schnell.«
Ich bedankte mich bei der Edlen Lulu für ihre unschätzbare Hilfe. Intuitiv fragte ich – weil mich die Idee eines Frauenturnvereins nach wie vor umtrieb:
»Wenn Sie mit Freundinnen zusammen wären, würden Sie dann vielleicht einmal aus Ihrem wunderschönen Palazzo herauskommen?«
Lulu hob die Brauen. Sie wartete ab.
»Ich plane einen Frauenverein. Die Königin ist bestimmt dabei ... Es fehlen nur noch: Frühling, Sonne, Wärme und ein schönes, männerfernes Plätzchen, um sich zu bewegen und die Glieder zu strecken. Schönheit muss nicht immer nur leiden – die schönen, schönheitsfördernden Bewegungen sind es, die mir vorschweben: Freundinnen der Bewegung ist der provisorische Name. Hätten Sie nicht Lust, mitzutun, wenn ich erst Zeit und Ort bestimmt habe? Nur die ersten unseres Geschlechtes wären mit von der Partie!«
»Bewegung unter freiem Himmel – ohne Männer? Sicher, wenn man zu mehreren ist ... Eine nette Idee. Vielleicht würde es uns tatsächlich helfen, die Trägheit zu bekämpfen? Ich könnte es mir schon vorstellen. Wollen Sie mir sagen, wenn es so weit ist? Ich bin immer so unentschlossen ...«
»Ich lasse Sie wissen, wenn es losgeht!«
17
Die Königin hätte sich zweifellos gefreut, Hermine näher kennenzulernen. Sie hatte einen Roman von ihr gelesen, Vaucourt und Louise , und er hatte ihr gefallen! Doch Hermine von Schwerin, die manchmal im Scherz ein so furchtlos gelangweiltes Gesicht wie eine Schleiereule machte, meinte, sie habe es mit der Angst bekommen. Die Begegnung mit Ihrer Majestät an meinem Krankenbett hätte ihr genügt – sie schützte Angst vor, beim zweiten Zusammentreffen mit der Göttin vielleicht alles zu verderben. Die Ausreden wurden immer abenteuerlicher. Am Ende fand sie sich schlicht zu hässlich, um vor so viel Schönheit zu bestehen ... Es gibt solche Frauen und ich verstehe sie, auch wenn sie sich selbst die albernsten Steine in den Weg legen. Luise hätte sie gemocht, was sage ich: Sie hätte sie geliebt! Ich wurde den Verdacht nicht los, dass es einen anderen, viel gewichtigeren Grund für sie gab, sich so vehement gegen einen privaten Besuch bei der Königin zu sträuben. Hermine war nicht das, was man gemeinhin unter einer Schönheit versteht, durchaus, aber sie war alles andere als hässlich. Es gab viele, die sie genauso anziehend fanden wie
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