Das spanische Medaillon
erzählte mir einer davon.«
Vorsichtig fragte er:
»Welche sind’s? Die Jansons? Die Gerbers? Die Reichhardts, Pöltschs, Völpels? Vietschs? Metzners, Grubers, Haarings? Klieschs? Langes?«
»Nein, die Gomms!«
Ich sah, wie sich – bei äußerlicher Unbewegtheit – seine Pupille weitete. Nur der Alkohol, so vermutete ich, hinderte Wiggert am Erzittern.
»Die kenn’ ich nicht!«
»Oder – bei ihrem spanischen Namen genannt: die Gomez.«
»Man vergisst mitunter den einen oder anderen Kollegen. Die Gomez also ...«
Weshalb war er so blass geworden? Alles Blut schien aus ihm gewichen. Die Lust zum Sprechen war auch erstorben.
»Sehr bekannt scheint diese Familie in Ihren Kreisen ja nicht zu sein. Felipe Gomez soll doch eine beachtliche Zahl von Sündern erlöst haben.«
Er bekreuzigte sich, was mir sehr ungewöhnlich erschien. Später habe ich erfahren, dass auch der Henker der Revolution, Janson mit Namen, ein braver, biederer und gottesfürchtiger Mann gewesen ist.
»Sie nennen da einen Namen, der selbst in meinen Kreisen für gewöhnlich nicht laut ausgesprochen wird. Und auch seine Nachkommen wollen wir nicht mehr kennen.«
»Warum?«
»Madame, ich habe zu tun!«
»Vergessen Sie den Brief des Königs nicht!«, ermahnte ich ihn.
»Sie könnten mich aufs Rad spannen und ich würde doch diesen verhassten Namen nicht mehr in den Mund nehmen!«
»Den Namen kennen wir ja – was ihn so verhasst macht, möchte ich wissen!«
Er wollte mich loswerden, das spürte ich. Nur aus diesem Grund presste er ein paar dürftige Erklärungen durch die Zähne:
»Jeder Spanier kann Ihnen das erzählen. Allein davon zu sprechen ist mir unmöglich. Seine Söhne fanden nur unter falschem Namen Arbeit und selbst seine Enkel litten noch unter dem Verruf, den er seinem Zweig mit auf den Weg gab. Bis Felipe Gomez waren es ehrbare Vettern , die sich nie eine Schandtat auf die Schultern gebürdet haben. Doch mit ihm endet ihre Familiengeschichte für mich. Mit den Gomez und all ihren eventuellen Sprösslingen will ich nichts zu tun haben!«
So endete mein Gespräch mit dem Berliner Scharfrichter Wiggert. Ich hatte das Nachsehen, denn er verschwand in dem grauen Haus, schloss die Tür hinter sich und legte den Riegel vor. Mein weiteres Klopfen und Bitten um Einlass blieben vergeblich. Der blutrünstige Hofhund lief kläffend gegen die dornige Halskette an, die ihn zu immer verrückteren Sprüngen aufstachelte. Ich trat aus dem Hof und ging zu meinem Schlitten zurück, der an der Weggabelung stand. Die Raben der ganzen Gegend kreisten über der Ludergrube, während ich die vom Geruch ihrer verrottenden Blutsverwandten fast besinnungslosen Pferde durch ein Klatschen mit den Zügeln erlöste und wie von zwei Teufeln zum Oranienburger Tor hinabgerissen wurde.
Zwei Tage später besuchte ich mit Jérôme Freundin Leo von Blüthen in Knoblauch, die mir den neuesten Brief von ihrem kämpfenden Gemahl aus Portugal vorlas, über London bei ihr angelangt. Im Augenblick, da er geschrieben – und das war schon fast ein Vierteljahr her –, hatte er vor allem mit Mücken und herben Sonnenstrahlen gerungen. Edwin beschrieb in vagen Andeutungen, wie er mit den Schwarzen Braunschweigern Wellingtons Verteidigungslinien zu befestigen half.
»Torres Vedras!«, rief mein Gatte schwärmerisch aus, den alles Große und groß Angelegte begeisterte und der natürlich fast besser Bescheid wusste als der ferne Berichterstatter vor Ort: »Natürliche Wälle, ergänzt durch Festungen und Schützengräben! Drei Linien à vierzig Kilometer – 1 300 Quadratkilometer geschütztes Rückzugsgebiet für die Engländer, falls Napoleon noch einmal auf die Idee kommen sollte, Portugal invasieren zu wollen!«
»Wie wäre es«, äußerte Leo zaghaft (der man anmerkte, wie sehr sie sich danach sehnte, Edwin ihrerseits ein Lebenszeichen geben zu können), »wenn wir Edwin und seine Leute um Hilfe bäten?«
Da mussten wir sie leider enttäuschen – Edwin war in Portugal. Aber die Idee, Spanier zu fragen, war nicht schlecht. Mit entsprechenden Nachforschungen waren die nächsten Tage ausgefüllt. Doch der spanische Gesandte in Preußen, Enrico Gonzalez, wusste nur, dass Felipe Gomez der unerbittlichste Handlanger seines Herrn gewesen war. Desgleichen kam von Nachfahre Gomms, der schon zitterte und sich verschloss, wenn ich nur von Ferne sichtbar ward. Die Literatur vollends gab gar nichts her. Weitere Spanier in Preußen fand ich nicht. Da fiel Jérôme
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