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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Hölle!«
    »Oh, mein Jérôme! Du also auch schon? Hast du gar den Mörder ...«
    »Liebste, du lebst! Wie herrlich! Was redest du da? Welchen Mörder? Hier kriegst du etwas, das dich wieder auf die Beine bringen wird! (Beiseite:) Oder spricht etwas dagegen, Herr Doktor?«
    »Nein, nein! Das ist gute Medizin, soweit ich es beurteilen kann!«
    Das war die Stimme Heims. Waren wir alle tot? Hatte es eine Explosion gegeben? Das war so kalt wie in der Gruft unterm Dom. Etwas Kaltes legte sich an meine Lippen.
    »Uäh!«, spuckte ich. »Das ist Schnaps!«
    »Von wegen, Mädchen! Das ist Geist von Beerens Geist! Und so wahr ich der alte Fritz von Beeren bin: Trink einen Schluck! Geist von Beerens Geist! Hilft in allen Lebenslagen!
    Und schon wird dir alles wieder einfallen!«
    Man mag sagen, was man will – aber so war es. Der Kriminaldirektor in spe, von Schlechtendal, beugte sich über mich und schüttelte den Kopf.
    »Was machen Sie denn für Sachen?«
    »Ich erkläre Ihnen alles nachher in Ruhe. Wo ist der Unhold?«, antwortete ich.
    Von Schlechtendal machte das verdutzteste Gesicht, das ein Mensch machen kann.
    »Von welchem Unhold sprechen Sie?«
    »Na, das Monstrum, das gerade dabei war, mir den Kopf abzuschlagen, als Sie hereinkamen ... offenbar ... Ich hörte schon den Schlag!«
    Einen Moment herrschte Stille. Dann sagte Lulu:
    »Das muss ich gewesen sein. Wir haben dich überall gesucht, nachdem dich Hardenberg vom Söller aus in Richtung auf die Brennerei hat verschwinden sehen. Jeder hat gerätselt, wer die seltsame Anzeige in den Abendblättern aufgegeben hatte. Als man dich nicht fand, hat Kleist es verraten. Wir sind ausgeschwärmt. Leo und ich waren es, die hier im Keller suchten: Ich hörte etwas und zischte. Dann fiel ich über etwas und brachte ein Fass zum Absturz – zum Glück fiel es neben dir zu Boden ... Von dem Knall hast du offenbar die Besinnung verloren.«
    »Du redest wirr – ich fühlte ja schon die kalte Klinge des Henkersbeils an meiner Kehle!«
    Sie sah die anderen an, die mich im Licht der Laterne, das nun wirklich zu blenden begann, mit Achselzucken betrachteten. Verdammt, ich fühlte die Kälte immer noch und fasste an meinen Hals: Da war eine Kette und daran hing etwas Schweres, das mir auf der Brust lag. Ich zog es hervor – das spanische Medaillon, kalt und klamm!

25
    Man hat die beiden nicht gefunden. Bis heute nicht. Das literarische Werk der Hermine von Schwerin vermehrte sich nicht. Oft fragte ich mich, wenn mir eine lesewütige Freundin von einem neuen Roman eines mir Unbekannten vorschwärmte, ob es vielleicht ein Roman von einem der beiden sei ...
    Die Schädelsammlung des Leipziger Professors Blumenbach erhielt 1810 auf dubiosem Wege acht gespendete, anonyme Neuzugänge – nur wenige wussten um deren Identität. Wenn ich mir vorstellte, dass sie jahrelang in einer Kiste oder in einem Schrein verborgen gelegen hatten, wurde mir ganz anders. Welche verführerische Grausamkeit musste meine Freundin Hermine in Bann geschlagen haben, dass sie derlei ertragen, ja mitgetragen hatte? Man wird ganz kopflos bei dem Gedanken.
    Immer, wenn ich seither das Medaillon betrachte, das jetzt in Lulus Sammlung neben seinem Konterpart liegt, fühle ich die eisige Linie der Klinge an meinem Hals. Ich glaube nicht, dass er mit ihrer Billigung weitere Morde im Dienste der wahren Aufklärung verübt hat, doch ganz sicher bin ich mir freilich nicht ...

    Es widerstrebt mir fast, zu berichten, was sich drei Tage nach dem 15. in Hohenzieritz noch ereignete, doch die Redlichkeit verlangt es, dass ich die Leserinnen hierüber nicht im Dunkeln lasse. Als Heim die Königin zum wiederholten Male untersuchte, vom aufgeregten herzoglichen Leibarzt Hieronymi gerufen, erkannte er augenblicklich, dass sie in Lebensgefahr schwebte. Die Krisis, die er vorhergesagt, war schon viel früher und heftiger eingetreten. Der König, per Eilkurier gerufen, traf sie noch lebend an. Sie war wach, begrüßte ihn, küsste ihn, von Krämpfen bereits geschüttelt. Er kniete neben dem Bett, küsste ihre Hand und sagte:
    »Gott kann uns doch nicht trennen wollen? Nur durch dich bin ich glücklich! Außer dir habe ich doch keine Freunde!«
    »Du hast Hardenberg!«, wendete sie schwach ein.
    »Hast du etwas auf dem Herzen?«, fragte er und sie zierte sich erst; antwortete dann:
    »Dein Glück und die Erziehung der Kinder: Wilhelm muss sich an Ancillon gewöhnen!«
    Das Gespräch griff sie an, sie sagte:
    »Bitte keine Szene ...

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