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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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linke Hand in der Fessel und streckte sie langsam, mit unendlicher Behutsamkeit, zum Regal aus. Jetzt durfte sie sich ja keinen Fehler leisten, um die Dose Nivea-Creme auf dem Regal nicht außer Reichweite oder gar nach hinten gegen die Wand zu stoßen. Es konnte sein, dass jetzt eine Lücke zwischen Brett und Wand klaffte, eine Lücke, durch die ein kleines Probedöschen mühelos fallen konnte. Und sie war sich ganz sicher, wenn das geschah, würde sie durchdrehen. Ja. Sie würde hören, wie das Döschen zwischen Mäusedreck und Staubflusen auf dem Boden landete, und ihr Verstand würde einfach … nun, durchdrehen. Darum musste sie vorsichtig sein. Wenn sie das war, konnte alles gut werden. Weil …
    Weil es vielleicht doch einen Gott gibt, dachte sie, und Er will nicht, dass ich hier auf diesem Bett sterbe wie ein Tier in der Falle. Wenn man genauer darüber nachdenkt, scheint das logisch zu sein. Ich habe das Döschen auf dem Regal ertastet, als der Hund anfing, Gerald anzuknabbern, und dann habe ich gesehen, dass es zu klein und leicht war, dem Hund wehzutun, selbst wenn ich ihn getroffen hätte. Unter diesen Umständen – angeekelt, verwirrt und halb wahnsinnig vor Angst – wäre es das Logischste gewesen, es einfach fallen zu lassen und nach etwas Schwererem auf dem Regal zu tasten. Aber stattdessen habe ich es auf das Regal zurückgestellt. Warum hätte ich oder sonst jemand so etwas Unlogisches tun sollen? Wegen Gott, darum. Das ist die einzige Antwort, die mir einfällt, die einzige, die logisch klingt. Gott hat es für mich aufgehoben, weil Er gewusst hat, dass ich es brauchen würde.
    Sie hauchte die gefesselte Hand langsam am Holz entlang und versuchte, ihre gespreizten Finger in eine Radarantenne zu verwandeln. Es durfte kein Schnitzer passieren. Ihr war klar, Gott oder Schicksal oder Vorsehung hin oder her, dies würde mit ziemlicher Sicherheit ihre beste und letzte Chance sein. Und als ihre Finger die glatte, runde Oberfläche des Döschens berührten, fiel ihr ein Vers aus einem Talking Blues ein, ein kleiner Gassenhauer, den wahrscheinlich Woody Guthrie komponiert hatte. Damals, am College, hatte sie ihn zum ersten Mal von Tom Rush gesungen gehört:
    »If you want to go to heaven
Let me tell you how to do it,
You gotta grease your feet
With a little mutton suet.
You just slide out of the devil’s hand
And ooze on over to the Promised Land;
Take it easy,
Go greasy.«
    Sie legte die Finger um das Glas, achtete nicht auf das rostige Ziehen in den Schultermuskeln und zog das Döschen langsam und vorsichtig, fast zärtlich zu sich. Jetzt wusste sie, wie Sprengmeistern zumute sein musste, wenn sie mit Nitro arbeiteten. Take it easy, dachte sie, go greasy. Waren im Verlauf der Weltgeschichte jemals zutreffendere Worte gesprochen worden?
    »Das glaube ich niiiicht, Teuahste«, sagte sie mit ihrer rotznäsigsten »Elizabeth Taylor - Die Katze auf dem heißen Blechdach«- Stimme. Sie hörte es nicht, bemerkte nicht einmal, dass sie gesprochen hatte.
    Sie spürte bereits, wie sich der heilige Balsam der Erleichterung über sie ausbreitete; es war so angenehm wie der erste Schluck frischen, kühlen Wassers sein würde, wenn sie diesen über den rostigen Stacheldraht in ihrem Hals goss. Sie würde dem Teufel aus der Hand flutschen und ins Gelobte Land glitschen, daran konnte überhaupt kein Zweifel bestehen. Das hieß, so lange sie vorsichtig glitschte. Sie war in Versuchung geführt, sie war im Feuer geläutert worden; jetzt konnte sie ihre Belohnung ernten. Sie war eine Närrin gewesen, jemals daran zu zweifeln.
    Ich finde, du solltest aufhören, so zu denken, sagte Goodwife mit besorgter Stimme. Dadurch wirst du sorglos, und ich könnte mir denken, dass die wenigsten sorglosen Menschen dem Teufel aus der Hand flutschen.
    Das stimmte wahrscheinlich, aber sie hatte nicht die geringste Absicht, sorglos zu sein. Sie hatte die vergangenen achtzehn Stunden in der Hölle verbracht, und keiner wusste besser als sie, wie viel auf dem Spiel stand. Niemand konnte es besser wissen; niemals.
    »Ich werde vorsichtig sein«, gurrte Jessie. »Ich werde mir jeden Schritt genau überlegen. Ich verspreche es. Und dann … dann werde ich …«
    Was würde sie?
    Selbstverständlich geschmiert gehen. Nicht nur, bis sie aus den Handschellen raus war, sondern für immer. Jessie hörte sich wieder mit Gott sprechen, und diesmal mühelos und flüssig.
    Ich will etwas versprechen, sagte sie Gott. Ich verspreche, dass ich von

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