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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sie mit der stummen Ehrfurcht eines Juweliers hochgehalten hatte, der das erlesenste Diamantkollier vorzeigte, das jemals durch seine Hände gegangen war. Sie selbst war auch einigermaßen davon beeindruckt gewesen, um ehrlich zu sein. Sie erinnerte sich, wie glänzend sie gewesen waren, wie sich das Licht vom Fenster in dem blauen Stahl auf den Schellen selbst und auf den eingekerbten Bügeln des Verschlusses gespiegelt hatte, mit dem man die Handschellen auf Handgelenke verschiedener Größe einstellen konnte.
    Sie hatte wissen wollen, woher er sie hatte – eine Frage reiner Neugier, kein Vorwurf -, aber er hatte ihr nur verraten, dass ihm jemand von den Gerichtswachen behilflich gewesen war. Er schenkte ihr ein verschleiertes kurzes Augenzwinkern, als er das sagte, als würden Dutzende dieser hilfreichen Burschen, die er alle kannte, durch die verschiedenen Säle und Flure des Gerichtsgebäudes von Cumberland Country laufen. Tatsächlich hatte er sich an dem Nachmittag aufgeführt, als hätte er zwei Scud-Raketen ergattert statt zwei Paar Handschellen.
    Sie lag auf dem Bett und trug einen Teddy aus weißer Spitze und dazu passende Seidenhöschen, ein Ensemble, das eindeutig fast da war, und beobachtete ihn mit einer Mischung aus Erheiterung, Neugier und Erregung … aber Erheiterung hatte an dem Tag die Oberhand gehabt, oder nicht? Ja. Gerald, der sich stets bemühte, Mr. Cool persönlich zu sein, durchs Zimmer stapfen zu sehen wie einen brünstigen Hengst war ihr in der Tat sehr erheiternd vorgekommen. Sein Haar stand in unbändigen Korkenzieherlocken ab, die Jessies kleiner Bruder immer »Flusen« genannt hatte, und er trug noch seine schwarzen Nylonsocken Marke Aufstrebender Jungmanager. Sie erinnerte sich, wie sie sich auf die Innenseite der Wangen gebissen hatte – und zwar ziemlich fest -, damit man ihr das Grinsen nicht ansah.
    Mr. Cool hatte an diesem Nachmittag schneller geredet als ein Auktionator bei einer Zwangsversteigerung. Und dann hatte er plötzlich in voller Fahrt aufgehört. Sein Gesicht hatte einen Ausdruck komischer Überraschung angenommen.
    »Gerald, was ist denn?«, hatte sie ihn gefragt.
    »Mir ist gerade eingefallen, dass ich gar nicht weiß, ob du das auch nur in Erwägung ziehst«, hatte er geantwortet. »Ich plappere einfach drauflos, ich habe wegen dem Du-weißtschon-was fast Schaum vor dem Mund, wie du deutlich sehen kannst, und ich habe dich gar nicht gefragt, ob du …«
    Da hatte sie gelächelt, weil sie einerseits die Schals ziemlich satthatte und nicht wusste, wie sie es ihm beibringen sollte, und andererseits weil es schön war, ihn wegen Sex wieder einmal so in Fahrt zu erleben. Na gut, es war vielleicht ein bisschen abseitig, wenn einen die Vorstellung aufgeilte, die eigene Frau mit Handschellen zu fesseln, bevor man mit der langen weißen Harpune Tiefseetauchen ging. Na und? Es blieb strikt zwischen ihnen beiden, oder nicht? Und es war nur Spaß – wirklich nicht mehr als eine nicht jugendfreie komische Oper. Gilbert und Sullivan machen auf Bondage. Ich bin eine gefesselte Lay-dee in des Königs Nay-vee. Außerdem gab es abseitigere Neigungen; Freida Soames von gegenüber hatte Jessie einmal gestanden (nach zwei Drinks vor dem Essen und einer halben Flasche Wein während), dass es ihrem Exmann gefallen hatte, sich pudern und windeln zu lassen.
    Beim zweiten Mal hatte es nicht funktioniert, dass sie sich auf die Wangen gebissen hatte, und sie hatte losgesprustet. Gerald hatte sie mit leicht nach rechts geneigtem Kopf und einem verhaltenen Lächeln angesehen, das den linken Mundwinkel nach oben zog. Es war ein Ausdruck, den sie in den vergangenen siebzehn Jahren gut kennengelernt hatte – er bedeutete, dass Gerald entweder in Begriff war, wütend zu werden oder mit ihr zu lachen. Normalerweise war es unmöglich zu sagen, wofür er sich entscheiden würde.
    »Möchtest du mitmachen?«, hatte er gefragt.
    Sie hatte nicht gleich geantwortet. Stattdessen hatte sie aufgehört zu lachen und ihn mit einer Miene angesehen, die, wie sie hoffte, der gemeinsten Nazihure würdig war, deren Konterfei jemals den Umschlag des Magazins Man’s Adventure geziert hatte. Als sie der Meinung war, sie hätte das richtige Ausmaß eiskalter hauteur erreicht, hatte sie die Arme gehoben und vier arglose Worte gesagt, worauf er offenbar schwindlig vor Erregung zum Bett gesprungen kam:
    »Komm her, du Dreckskerl.«
    Er hatte ihr die Handschellen in null Komma nichts über die Gelenke gepfriemelt und

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