Das Spiel
um eine Fackel geschrieben. Der Aschenbecher setzte zu einer zweiten Drehung an, prallte aber gegen die verkrampften, knochigen Schultern des Hundes, ehe er die zweite Umdrehung ganz ausführen konnte.
Der Streuner stieß einen überraschten und gequälten Schrei aus, und Jessie verspürte einen Augenblick heftigen, primitiven Triumphs. Sie verzog den Mund zu einem Ausdruck, der sich wie ein Grinsen anfühlte, aber wie ein Schrei aussah. Sie heulte vor Wonne, während sie gleichzeitig den Rücken krümmte und die Beine ausstreckte. Wieder bemerkte sie die Schmerzen in den Schultern nicht, als Knorpel gedehnt und Gelenke, die die Behändigkeit von einundzwanzig längst vergessen hatten, fast bis zum Auskugeln belastet wurden. Später würde sie alles spüren – jede Bewegung, jeden Ruck, jede Drehung, die sie ausgeführt hatte -, aber momentan erfüllte sie ausschließlich unbändige Freude über den Treffer, und ihr war zumute, als müsste sie explodieren, wenn sie dieser Freude nicht irgendwie Ausdruck verlieh. Sie trommelte mit den Füßen auf der Bettdecke und warf den Körper von einer Seite auf die andere, wobei ihr das schweißnasse Haar gegen Wangen und Stirn schlug und die Sehnen am Hals wie dicke Stromkabel vorstanden.
»HA!«, rief sie. »ICH … HAB … DIIICH! HA!«
Der Hund zuckte zurück, als der Aschenbecher ihn traf, und zuckte nochmals, als dieser auf den Boden fiel und zerschellte. Er legte die Ohren an, als er die Veränderung in der Stimme des Frauchens bemerkte – jetzt hörte er nicht Angst, sondern Triumph. Bald würde sie vom Bett aufstehen und mit den seltsam harten Füßen Fußtritte austeilen. Der Hund wusste, er würde wieder Schmerzen spüren, wie schon früher, wenn er blieb; er musste also weglaufen.
Er drehte den Kopf und vergewisserte sich, dass sein Fluchtweg noch frei war, und dabei drang ihm wieder der verlockende Geruch von Blut und Fleisch in die Nase. Der Magen des Hundes krampfte sich sauer und knurrend vor Hunger zusammen, und er winselte unbehaglich. Er war hin- und hergerissen zwischen zwei gleich starken Instinkten und stieß wieder einen nervösen Urinstrahl aus. Der Geruch seines eigenen Wassers – ein Aroma, das von Krankheit und Schwäche sprach, statt von Kraft und Selbstvertrauen -, trug weiter zu seiner Frustration und Verwirrung bei, und er fing wieder an zu bellen.
Jessie schrak vor diesem brüchigen, unangenehmen Laut zurück – sie hätte sich die Ohren zugehalten, wenn sie gekonnt hätte -, worauf der Hund wieder eine Veränderung im Zimmer spürte. Der Geruch des Frauchens hatte sich verändert. Ihr Alphageruch verblasste, obwohl er noch frisch und neu war, und der Hund spürte, dass dem Schlag auf die Schultern nicht zwangsläufig weitere Schläge folgen mussten. Der erste Schlag war ohnehin mehr überraschend als schmerzhaft gewesen. Der Hund machte wieder einen zögernden Schritt auf den Arm zu, an dem er gezogen hatte – auf den hypnotisierenden Geruch von Blut und Fleisch. Dabei behielt er das Frauchen genau im Auge. Seine anfängliche Einschätzung, wonach das Frauchen harmlos, hilflos oder sogar beides war, konnte falsch sein. Er musste sehr vorsichtig sein.
Jessie lag auf dem Bett und bemerkte nun erstmals vage das Pochen in ihren Schultern. Es war so deutlich, dass ihr der Hals jetzt richtig wehtat. Am deutlichsten merkte sie jedoch, dass der Hund, Aschenbecher hin, Aschenbecher her, immer noch da war. Im ersten heißen Ansturm ihres Triumphs war sie zur unweigerlichen Schlussfolgerung gekommen, dass er fliehen musste, aber irgendwie hatte er standgehalten. Schlimmer noch, er kam wieder näher. Sicher, vorsichtig und argwöhnisch, aber er kam näher. Sie spürte einen prallen grünen Sack Gift irgendwo in ihrem Inneren pulsieren – bitteres Zeug, so schädlich wie Schierling. Sie hatte Angst, wenn dieser Sack platzte, würde sie an ihrer eigenen hilflosen Wut ersticken.
»Raus, Pisskopf«, sagte sie zu dem Hund mit einer heiseren Stimme, die schon an den Rändern bröckelte. »Raus, oder ich bring dich um. Ich weiß nicht wie, aber ich schwöre bei Gott, dass ich es schaffe.«
Der Hund blieb wieder stehen und sah sie mit zutiefst unbehaglichen Augen an.
»Ganz recht, du solltest lieber auf mich hören«, sagte Jessie. »Solltest du, weil es mein Ernst ist. Jedes Wort.« Dann schwoll ihre Stimme wieder zu einem Brüllen an, das freilich teilweise zu einem Flüstern verblutete, weil ihre überlastete Stimme kurzschloss. »Ich bring dich
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