Das Spiel
über den Kopf gezogen. In ihrer neuen Haltung – ihr Haar streifte fast das unterste Regal über ihrem Kopf – konnte Jessie nicht nur den rechten Arm und die Hand, sondern auch einen von Geralds plumpen Füßen sehen. Der Fuß ruckte hin und her, als würde Gerald zu einer schmissigen Musik tanzen – »One More Summer« von den Rainmakers zum Beispiel.
Von ihrem neuen Aussichtspunkt konnte sie den Hund besser sehen; der Körper war jetzt bis zu der Stelle sichtbar, wo der Hals anfing. Seinen Kopf hätte sie auch sehen können, wenn er ihn gehoben hätte. Aber das machte er nicht. Der Streuner hatte den Kopf gesenkt und die Hinterbeine steif gespreizt. Plötzlich ertönte ein fleischiges Reißen – ein rotziger Laut, als würde sich jemand mit einer schlimmen Erkältung räuspern. Sie stöhnte.
»Hör auf … oh, bitte, kannst du nicht aufhören?«
Aber der Hund beachtete sie nicht. Früher hatte er einmal Männchen gemacht und nach Tischabfällen gebettelt, wobei seine Augen lachten und der Mund zu grinsen schien, aber diese Tage gehörten wie sein früherer Name längst der Vergangenheit an und waren schon fast vergessen. Dies war das Jetzt, und die Lage war, wie sie nun einmal war. Überleben war keine Frage von Höflichkeit oder Entschuldigungen. Er hatte seit zwei Tagen nicht mehr gefressen, hier gab es Essen im Überfluss, und obwohl auch ein Frauchen hier war, das nicht wollte, dass er sich das Essen holte (die Zeiten, als Herrchen gelacht und ihm den Kopf getätschelt und ihn BRAVER HUND genannt und ihm Leckerbissen gegeben hatten, wenn er sein kleines Repertoire an Kunststückchen vorführte, waren vorbei), aber die Füße dieses Frauchens waren weich und klein, nicht hart und schmerzhaft, und die Stimme verriet, dass es machtlos war.
Das Knurren war zu gedämpftem Keuchen der Anstrengung geworden, und der Rest von Geralds Leichnam begann vor Jessies Augen ebenfalls zu tanzen wie der Fuß, er hüpfte hin und her und fing dann wahrhaftig an zu ratschen, als hätte er sich völlig vom Rhythmus mitreißen lassen, tot oder nicht tot.
Lass krachen, Disco-Gerald!, dachte Jessie hysterisch. Vergiss den Chicken Bop und den Shag Jive – tanz den Dog!
Der Streuner hätte Gerald nicht von der Stelle bewegen können, wenn der Teppich noch gelegen hätte, aber Jessie hatte vereinbart, dass der Boden nach dem Labor Day gewachst werden sollte. Bill Dunn, der Hausmeister, hatte das Team von Skip’s Floor’n More kommen lassen, und die hatten die Arbeit verdammt gut erledigt. Sie hatten gewollt, dass die Missus bei ihrem nächsten Besuch ihre Arbeit voll und ganz würdigen konnte, daher hatten sie den Schlafzimmerteppich zusammengerollt im Schrank in der Diele gelassen, und als der Streuner Disco-Gerald auf dem glänzenden Boden einmal in Gang gebracht hatte, bewegte sich dieser fast so mühelos wie John Travolta in Saturday Night Fever. Der Hund hatte nur ein Problem, nämlich selbst den Halt nicht zu verlieren. Seine schmutzigen langen Krallen halfen ihm dabei, sie fassten und hinterließen kurze, gezackte Striemen im Wachs, während der Hund, der die Zähne fest in Geralds schwabbeligen Oberarm vergraben hatte, weiter zurückwich.
Ich sehe das alles nicht, klar. Nichts passiert wirklich. Es ist noch nicht lange her, da haben wir die Rainmakers gehört, und Gerald hat den Ton so lange leiser gestellt, bis er mir gesagt hatte, dass er sich überlegte, ob er diesen Samstag nicht zum Footballspiel nach Orono gehen sollte. University of Maine gegen B. U. Ich weiß noch, er hat sich beim Reden am rechten Ohrläppchen gekratzt. Wie kann er also tot sein und von einem Hund über den Schlafzimmerboden gezerrt werden?
Geralds spitzer Haaransatz war ganz verstrubbelt – wahrscheinlich weil der Hund das Blut geleckt hatte -, aber die Brille hatte er noch fest auf der Nase. Sie konnte seine halboffenen und glasigen Augen sehen, die aus den aufgedunsenen Höhlen zu den verblassenden Sonnenwogen an der Decke sahen. Sein Gesicht war immer noch eine Maske hässlicher roter und purpurner Flecken, als hätte nicht einmal der Tod seine Wut über ihren plötzlichen, launischen (hätte er ihn als launisch angesehen? – auf jeden Fall) Sinneswandel mildern können.
»Lass ihn los«, sagte sie zu dem Hund, aber ihre Stimme war schwach und traurig und kraftlos. Der Hund zuckte kaum mit den Ohren, als er sie hörte, und blieb nicht einmal stehen. Er zerrte das Ding mit der zerzausten Frisur und dem fleckigen Gesicht einfach
Weitere Kostenlose Bücher