Das Spiel
einfach besser, dem Dekan die Sache von der Party zu erzählen, bevor er es so herausbekommt und wir alle dran sind«, sagte sie schnippisch.
Julia zog die Augenbrauen hoch. Sie sah Debbie noch genau vor sich, wie sie in jener schrecklichen Nacht Alex schwärmerisch angeblickt hatte und auf seine Bitte, nicht zum Dekan zu gehen, treuherzig genickt hatte.
Andererseits – es passte schon zu Debbies Charakter, dass ausgerechnet sie die Verräterin war. Aber Julia hätte nie gedacht, dass in Debbie eine so grandiose Schauspielerin steckte.
»Und – hast du wenigstens einen guten Deal für dich ausgehandelt?«, fragte sie spöttisch. »Mr Walden vergisst, dass du auf der Party warst, im Gegenzug lieferst du Robert ans Messer? Und uns andere auch?«
»Schwachsinn!« Debbie wickelte ein neues Stück Zahnseide um ihren Finger und wirkte nun ziemlich nervös, wie Julia feststellte. »Mr Walden war mir dankbar für die Information, weiter nichts. Deinem superschlauen kleinen Bruder ist ja nichts passiert. Außerdem ging es um Angela.«
Julia spürte, wie die Wut in ihr hochstieg. »Klar! Als ob die dich kümmert!« Ihre Stimme wurde ätzend. »Du bist gerade mal zwei Wochen hier am College. Hast du überhaupt jemals mit ihr geredet?«
Debbie verzog den Mund. »Sie hat mir leidgetan, weil sie im Rollstuhl saß«, sagte sie ausweichend. »Sie war seit einem Unfall vom vierten Halswirbel an gelähmt. Hat sie mir selbst erzählt. Kein Wunder, dass sie so aggressiv war.«
»Aggressiv?«
»Ach, ich meine eigentlich abweisend. Obwohl ich mich immer bemüht habe, freundlich zu ihr zu sein.«
Was zu beweisen wäre, schoss es Julia durch den Kopf. Debbie war nur zu einem Menschen freundlich, und zwar zu sich selbst.
Julia packte ihre Bürste und ihr Waschzeug in den Schrank. »Hat dir eigentlich schon einmal jemand gesagt, wie ätzend es ist, dass du dich immer in den Vordergrund spielst?« Sie wusste im Grund genommen, dass es nicht besonders klug war, sich mit Debbie anzulegen. Aber dieses Mädchen trieb sie mit ihrer Art einfach zur Weißglut. Und die Bemerkung über Robert hätte sie sich besser gespart.
»Was heißt hier in den Vordergrund?« Jetzt fauchte auch Debbie.
»Plötzlich tust du so, als wärst du Angelas beste Freundin gewesen – nur um dich selbst wichtig zu machen. Dabei ist sie gestorben! Tot! Kapierst du das überhaupt?«
Debbies Augen wurden ganz schmal. »Und auf den Gedanken, dass ich sie von früher gekannt haben könnte, kommst du wohl nicht, Miss Superschlau?« Im gleichen Moment sah sie aus, als bereute sie ihre Worte.
Julia starrte sie an.
Die beiden sollten sich von früher kennen? Sagte Debbie wirklich die Wahrheit? Aber bei ihr konnte man nie sicher sein. Vielleicht fühlte sie sich von Julia auch nur in die Ecke gedrängt.
»Ihr habt euch früher schon einmal getroffen? Wann denn bitte und wo?«
»Wo wohl?«, gab Debbie patzig zurück. »Wo sich die wirklich coolen Leute treffen – im Netz!«
»Ihr kanntet euch aus dem Internet?«
»Du hast keine Ahnung, oder? Angela war der totale Technikfreak und in allen möglichen Hackerforen im Internet eine Berühmtheit! Habe ich das nicht erwähnt?«
Best safety lies in fear, hörte Julia auf ihrem linken Ohr Emilie Autumn singen. Tatsächlich, Miss Autumn belauschte ihr Gespräch. Schließlich fielen ihr ständig die passenden Kommentare ein.
»Sie war ein Hacker? Angela?« Rose’ schmales Gesicht tauchte hinter Julia auf. »Und eine Berühmtheit?« Sie nahm den zweiten Stöpsel des Kopfhörers und hielt ihn an ihr Ohr. Dann ließ sie ihn wieder los und strich mit der Hand über die blonden Stoppeln auf ihrem Kopf. »Warum erfahre ich das erst jetzt, Debbie? Du bist doch sonst so versessen darauf, möglichst viel Klatsch über andere zu verbreiten.«
»Ich weiß gar nicht, was ihr wollt! So gut kannte ich sie nun auch wieder nicht. Lasst mich doch in Ruhe!« Debbie warf ihre Utensilien zurück in ihren riesigen Kosmetikkoffer und verließ das Bad.
Noch immer trug sie die weiße Maske im Gesicht, und Julia wusste nicht, ob sie sie einfach vergessen hatte oder zu aufgebracht war, um sie in Gegenwart der anderen abzunehmen.
Kapitel 22
Eine Woche lang stellte die State Police alles auf den Kopf. Immer wieder standen Polizeiwagen vor dem Collegegebäude, Beamte liefen durchs Haus, die Studenten wurden befragt, Angelas Sachen wurden beschlagnahmt, aber es sickerte nicht durch, zu welchen Ergebnissen die Polizei gekommen war. Doch je länger
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