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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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Katie gelassen.
    »Der See ist an manchen Stellen über fünfzig Meter tief. Du hättest gar keine Chance.«
    »An dem Uferstück, wo wir Angela gefunden haben, geht es nicht so tief runter. Höchstens zehn Meter. Sonst hätten wir sie ja gar nicht entdeckt.«
    »Mit dem See stimmt etwas nicht. Die Wassertiefe schwankt«, sagte Robert. »Und pro zehn Meter Tauchtiefe erhöht sich der Druck um ein Bar. Danach kann es gefährlich werden.«
    »Ich weiß, was ich tue.« Katie blieb hartnäckig.
    Julia las in ihren Augen, dass niemand sie abhalten konnte. Es war etwas, das sie an der Koreanerin bewunderte. Etwas, das mit ihrem früheren Ich verloren gegangen war.
    »Ich komme mit«, sagte Julia plötzlich. »Ich bin früher oft getaucht.«
    Robert warf ihr einen erschrockenen Blick zu.
    »Was ihr hier vorhabt, kann ich nicht verantworten.« Alex war blass. »Ich muss das dem Dekan melden.«
    »Und wo bleibt der berühmte Ehrenkodex?«, fragte Chris spöttisch. »Wir haben euch nicht verraten und du wirst gefälligst die Klappe halten, was wir vorhaben.«
    *
    Julia hatte sich spontan entschieden. Und sie wollte nicht nur diesen Gegenstand finden, den sie in Angela Finders Hand gesehen hatte.
    Nein, sie fühlte plötzlich das dringende Bedürfnis danach, irgendetwas Extremes zu tun.
    Sie wollte sich dem Kampf stellen, einem Kampf zwischen Leben und Tod. Und es war nicht gelogen, als sie erzählte, sie sei früher oft getaucht. Sie war in einem Verein gewesen und hatte an internationalen Wettbewerben teilgenommen. Sie beherrschte den Druckausgleich unter Wasser – und noch dazu hatte sie ihre Lunge über Jahre hinweg trainiert, auch wenn sie jetzt aus der Übung war.
    Sie trafen sich am nächsten Morgen früh um sechs an der Brücke, wo Angela Finder ertrunken war. Um diese Uhrzeit konnten sie sicher sein, dass sie keine Augenzeugen haben würden.
    Erst als sie die Böschung heruntergeklettert war, wurde Julia bewusst, was es hieß, hier zu tauchen. Das Wasser mochte an dieser Stelle tatsächlich nicht tiefer als zehn Meter sein, da hatte Katie recht. Aber sie hatte vergessen, wie steil das Ufer abfiel. Es gab keine Möglichkeit, sich langsam an die Kälte zu gewöhnen. Sie mussten sich mit dem ersten Schritt in die Tiefe stürzen. Andererseits – der See war ja gestern gar nicht so kalt gewesen – vielleicht machte sie sich umsonst Sorgen.
    Julia warf Katie neben sich einen Blick zu. Wie sie selbst trug sie einen Sportbadeanzug. Beide fröstelten in der frischen Morgenluft. Es konnte nicht wärmer als zehn Grad sein. Der Himmel war bewölkt und grau, aber die Sonne blitzte durch die Wolken. Es war, als könne sich der Tag noch nicht recht entscheiden, ob er nun schön werden wollte oder nicht.
    »Bist du sicher?«, fragte Chris leise und legte Julia einen Arm um die Schulter.
    Sie wechselte einen Blick mit ihm und erwiderte: »Ganz sicher!« Er nickte und sie war ihm dankbar, dass er nicht versuchte, sie aufzuhalten.
    »Dann los!« Katie nahm einen kurzen Anlauf und tauchte kopfüber ins Wasser.
    Julias Herz schlug.
    Im nächsten Moment folgte sie.
    Trotz der gestrigen Erfahrung hatte Julia sich darauf vorbereitet, dass das Wasser verdammt kalt sein würde. Nun spürte sie die Kälte kaum. Oder lag es daran, dass ihr Körper die letzten Monate unempfindlich für Schmerz geworden war? Als habe er eine Schutzschicht entwickelt.
    Sie holte noch einmal an der Oberfläche tief Luft, dann schloss sie die Augen und tauchte hinab.
    Stille umfing sie und Kälte, die immer fühlbarer wurde. Und als sie die Augen öffnete, konnte sie im ersten Moment nichts erkennen.
    Mit fließenden Bewegungen begann sie sich nach unten zu bewegen. Bis im nächsten Moment jemand an ihre Schulter fasste. Katies Augen sahen sie erschrocken an.
    Julia nickte ihr zu. Alles in Ordnung, signalisierte sie und hätte gerne hinzugefügt: Ich bin glücklich!
    Und genau das war sie. Hier unter Wasser war alles anders – fast vertraut. Es war ein bisschen wie nach Hause zu kommen.
    Julias Tauchrekord lag bei zwei Minuten und 43 Sekunden. Doch nun dachte sie, sie könnte es auch viel länger hier unten aushalten.
    Sie schaute sich um. Das Ufer fiel steil ab und schloss mit einer betonierten Befestigung. Wenn jemand Angela mit dem Rollstuhl ins Wasser gestoßen hatte, dann musste das behinderte Mädchen untergegangen sein wie ein Stein.
    Julia wurde schwindelig bei dem Gedanken. Oder war das bereits der mangelnde Sauerstoff?
    Konzentriere dich, Julia!
    Sie

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