Das Spiel
ebenso erleichtert wie sie, dass die Polizei abzog, aber dass das Rätsel ungelöst blieb, machte ihm vermutlich genauso sehr zu schaffen wie ihr.
Dieser verdammte Film! Hätte sie doch damals besser aufgepasst, als Benjamin ihn das erste Mal zeigte!
»Hier, Jul.« Rose reichte ihr einen Becher. »Für dich.«
Automatisch griff sie danach, doch dann sah sie, wie Benjamin in die Küche kam. Er trug seinen Laptop, den er vermutlich gerade aus seinem Zimmer geholt hatte.
Ohne sich um den Trubel um ihn herum zu kümmern, setzte er sich an den Küchentisch, klappte den Computer auf und loggte sich ins Netz ein.
In diesem Moment steckte Alex neugierig den Kopf zur Tür herein. »Party?«, fragte er.
»Party!«, jubelte Debbie, zog ihn herein und drückte ihm ein Glas in die Hand. Er bedankte sich mit einem warmen Lächeln und Debbie errötete bis über beide Ohren.
Julia musste sich beherrschen, dass sie nicht mit den Augen rollte. Debbie schwärmte inzwischen so offensichtlich für den älteren Studenten, dass es nicht mehr zu ertragen war. Und Alex war die Bewunderung nicht etwa peinlich. Im Gegenteil, er schien sich geschmeichelt zu fühlen. Julia hätte nicht gedacht, dass Mr Florida das nötig hatte.
David reichte Benjamin einen Pappbecher mit Sekt, doch er stieß ihn aus Versehen um, sodass der Sekt über den Tisch schwappte.
»He«, fragte David, »was ist denn mit dir los?«
»Ihr denkt alle, ich sei ein Chaot, aber vergesst nicht, wenn es um meine Arbeit geht, bin ich der totale Kontrollfreak«, knurrte Benjamin.
Julia beugte sich über ihn. Auch Chris war aufmerksam geworden. »Was meinst du damit?«, fragte er.
»Alle meine Videodateien sind im Netz gespeichert, gesichert und verschlüsselt. Dagegen ist der Safe der Royal Bank of Canada nichts.«
»Das heißt?«
»Ich habe noch eine alte Version, eine, die nicht manipuliert werden konnte, weil niemand Zugang dazu hatte.« Er nickte stolz. »Bingo! Hier ist sie: 13. Mai 2010 V-Bootshaus01.avi.«
Erst jetzt bemerkten die anderen, dass etwas nicht stimmte.
»Wovon redest du eigentlich?«, fragte David.
Benjamin plapperte einfach drauflos. »Ich weiß jetzt, warum meine Kamera ruiniert wurde und jemand den Chip manipuliert hat! Weil Angelas Tod eben kein Unfall war. Nein! Ich habe alles auf Video aufgenommen.«
Julia runzelte die Stirn. Warum platzte Benjamin jetzt damit heraus? Was, wenn einer der anderen hier Angela Finder auf dem Gewissen hatte?
Sie warf Katie einen misstrauischen Blick zu. Die Koreanerin lehnte am Fensterbrett und nippte an ihrem Sekt, kurz, sie verhielt sich so, als ginge sie das alles nichts an. Unmöglich zu sagen, ob das Desinteresse gespielt oder einfach nur typisch Katie war.
Und was war mit Benjamin selbst?, schoss es Julia durch den Kopf. Vielleicht war er deshalb so übereifrig, weil er derjenige welche war? Hatte er nicht bei diesem Streit mit Angela in der Mensa überreagiert? Und hatte sie ihn nicht im Redaktionsbüro des Chronicle so abblitzen lassen, dass er wütend aus dem Raum gestürmt war? Abgesehen von der Sache mit dem Sicherheitsserver – er war offenbar nicht nur der Videofreak, sondern kannte sich auch bestens mit Computern aus – genau wie Angela. Gab es vielleicht eine Verbindung zwischen den beiden? Andererseits – wer hätte ein besseres Alibi als Benjamin haben können? Geradezu bombensicher. Er war die ganze Zeit auf der Party gewesen. Und der Film, den er gedreht hatte, war der ultimative Beweis. Benjamin konnte nicht für Angelas Tod verantwortlich sein.
Aber, verflucht, warum war er nicht vorsichtiger? War es wirklich gut, jedem mitzuteilen, was sie wussten?
»Julia ist draufgekommen«, erklärte er gerade, während die anderen mit offenem Mund lauschten. »Sie hat als Einzige gemerkt, dass ein Stück aus dem Film von der Party gelöscht war.«
»Aber warum sollte jemand den Film manipulieren?« Rose riss die Augen auf.
»Ben ist noch nicht fertig«, unterbrach sie Katie.
»Jemand hat ein Detail aus der Aufnahme herausgeschnitten«, fuhr Benjamin fort. »Laut Uhrzeit fehlt in der jetzigen Version eine Sekunde. Eine Sekunde. Das merkt man kaum, wenn man es nicht weiß. Aber …« Benjamin klopfte auf den Laptop. »Hier habe ich das Original.«
»Worauf wartest du noch?«, sagte Chris.
Neun Köpfe beugten sich über den Computer.
Und wieder folgte der Schnelldurchlauf vom Anfang der Party: Robert auf dem Bootssteg; Alex hinter der Musikanlage; Rose, David und Julia, Chris, der in
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