Das Spiel
habe zugehört.«
»Und was habt Ihr in Erfahrung gebracht?«, fragte Effir, der seinen Gleichmut wiedererlangt hatte.
»Hierosol rüstet sich. Mehrere
Dromonen —
so nennen sie ihre Kriegsschiffe, Prinzessin —, die schon länger zur Reparatur dort lagen, wurden hastig ins Trockendock gebracht. Außerdem hat Drakava seine Offiziere zurückbeordert, die gerade unterwegs waren, um säumige Steuerzahler entlang der krakischen Grenze zu bestrafen. Er scheint mit einer Belagerung zu rechnen.«
»Und mein Vater?«
Shaso schüttelte den Kopf. »Diese Neuigkeiten stammen von Seeleuten, Hoheit. Sie wissen nicht viel von Politik oder Gefangenen, und solche Dinge kümmern sie auch nicht. Keine Nachrichten sind zweifellos gute Nachrichten. Die einzige Sorge ist, was geschehen wird, wenn Drakava aufgeht, dass er jetzt kein Lösegeld aus Südmark bekommen wird.«
»Wie meint Ihr das?«, sagte sie hitzig und begriff gleich darauf, dass Shaso recht hatte. Das Letzte, was Hendon Tolly jetzt wollte, war König Olins Rückkehr. »Oh, diese ... Schweine! Wird Ludis Drakava ihm etwas tun?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.« Shaso schüttelte den Kopf, vermochte ihr aber nicht in die Augen zu sehen. Er war in Verstellung nicht sonderlich geübt, und das merkte man. »Er hat dadurch nichts zu gewinnen und viel zu verlieren — zum Beispiel jedwede Aussicht, dass ihm die nördlichen Länder beistehen, falls er von Xis angegriffen wird.«
Als ob er Brionys Zweifel und ihre Angst spürte, klatschte Effir plötzlich in die Hände. »Kommt, lasst uns etwas Heißes trinken! Ein kalter Tag wie dieser fährt einem in die Knochen, wenn man nicht aufpasst. Tal! Ach nein, er ist ja heute nicht im Hause — hat irgendetwas Persönliches zu erledigen.« Er klatschte wieder, und schließlich kam ein älterer, tattriger Diener herein. Als der alte Mann nach heißem Gewürzwein geschickt worden war, rieb sich Effir die Hände und eröffnete selbst die Unterredung, vielleicht um sicherzustellen, dass die Konversation nicht wieder wie eben auf heikles Terrain geriet. »Wir haben Euch hierher gebeten, weil der Zeitpunkt gekommen ist, Pläne zu machen, Prinzessin.«
»Was für Pläne?«
»Nun ja.« Effir sah Shaso auffordernd an.
»Wir können nicht für immer hier bleiben«, erklärte der alte Tuani. »Das habt Ihr selbst gesagt, Hoheit.«
»Wohin werden wir gehen?« Ihr Herz schien zu schwellen und leichter zu werden. »Zu meinem Vater?«
»Nein.« Jetzt war sein Gesicht eine unwirsche Maske. »Nein und nochmals nein, Briony. Ich sagte doch schon, wir könnten nicht viel für ihn tun, und jetzt, da der Autarch offenbar einen Angriff auf Hierosol erwägt, wäre es eine noch größere Torheit. Was wir brauchen, sind Verbündete, aber es gibt nicht viele, denen wir vertrauen können.«
»Es muss doch noch
jemanden
geben, der Ehre im Leib hat.« Briony ballte die Fäuste. »Beim heiligen Trigon, werden sie alle einfach nur dastehen und zusehen, wie uns der Thron geraubt wird? Was ist mit Brenland oder Settland — ich weiß gar nicht,
wie
oft wir denen zu Hilfe gekommen sind!«
»Eure Herrscherverwandten werden tun, was gut für sie ist — und für ihr Volk. Ich würde Euch auch nichts anderes raten.« Er hob die Hand, um ihren empörten Einwand zu unterbinden. »Das ist nicht so schlecht, wie es sich anhört, Hoheit. Jedwedes Bündnis, das man zu schließen vermag, wird unkomplizierter sein, wenn man es nicht mit Begriffen wie ›Ehre‹ überfrachtet. Solange man seinem Verbündeten irgendwie von Nutzen ist, bleibt er ein Verbündeter — ein simples, sauberes Arrangement. Und die Lage ist nicht so hoffnungslos, wie ich sie vorhin dargestellt haben mag. Wir brauchen nicht unbedingt eine ganze Armee, um Südmark wieder in Besitz zu nehmen. Wir benötigen lediglich genügend Männer, um zu verhindern, dass Tolly Euch zu fassen bekommt und Euch auf der Stelle tötet oder zur Hochstaplerin erklärt — das können wir mit einer ziemlich kleinen Streitmacht schaffen. Wenn es uns gelingt, nicht sofort überwältigt zu werden, sind wir in der Lage, Euch den Leuten in Südmark zu präsentieren und die Tollys als Mörder und Thronräuber zu entlarven. Das ist der erste Schritt.«
Briony runzelte die Stirn. »Warum ist das nur der erste Schritt? Wenn wir das fertigbrächten, wäre doch sicher das ganze Problem gelöst.«
Shaso schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Denkt doch nach, Hoheit! Glaubt Ihr wirklich, dass sich Hendon Tolly, selbst wenn er
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