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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Qul-na-Qar zurückgegriffen, die gemeinsame Sprache hundert verschiedener Arten von Wesen. Yasammez, die selbst stumme Worte nie verschwendete, wurde das Gefühl nicht los, dass auch das hier ein Versuch dieses blinden Ynnir war, ihr Knüppel zwischen die Beine zu werfen, indem er ihr die Ruhe des Geistes raubte.
    Kayyin erhob sich, um ihr nach drinnen zu folgen, die Hände im Gewand verborgen. Zwei der Wachen blickten sie an und warteten auf ihren Befehl, diese fremdartige Kreatur aufzuhalten, aber sie machte keinerlei Geste, als er hinter ihr durch die Tür trat.
    »Ich wünsche heute nicht, mit Euch zu sprechen«, warnte sie ihn.
    »Dann werde ich nicht sprechen, Herrin.«
    Ihre Schritte hallten durch den Saal. Bis auf zwei, drei ihrer lautlosen, dunkelgekleideten Diener, die oben auf der Galerie warteten, war der holzgetäfelte Raum leer. Yasammez wollte es so. Ihre Armee hatte eine ganze Stadt, um sich einzunisten. Dieser Ort gehörte ihr, was die Anwesenheit des Verräters noch störender machte.
    Yasammez, die Stachelschweinfrau, machte es sich in ihrem harten Stuhl mit der hohen Lehne bequem. Ihr unwillkommener Gast ließ sich im Schneidersitz zu ihren Füßen nieder. Einer ihrer Diener aus Tränenstrom erschien wie aus dem Nichts und wartete, bis ihn Yasammez mit einem Fingerschnippen entließ. Sie wollte nichts. Und genau das hatte sie auch bekommen: nichts. Sie hatte sich ausmanövrieren lassen, und jetzt bezahlte sie den Preis dafür.
    »Ich werde Euch heute nicht töten, Kayyin«, sagte sie schließlich. »Ganz gleich, wie Ihr mich plagt. Geht fort.«
    »Es ist ... interessant«, sagte er, als hätte er die letzten Worte gar nicht gehört. »Dieser Name erscheint mir immer noch nicht ganz wirklich, obwohl ich mich über Jahrhunderte so begriffen habe. Doch während ich im Land der Sterblichen lebte, wurde ich wirklich Gil, auch wenn ich in mancherlei Hinsicht all diese Jahre geschlafen habe. Und jetzt ist es, als versuchte ich, einen intensiven Traum abzuschütteln.«
    »Also verratet Ihr zuerst mich, und jetzt wollt Ihr Euer Volk gänzlich verleugnen?«
    Er lächelte, zweifellos weil er sie zu einem Gespräch verlockt hatte. Selbst damals, als sie Vertraute gewesen waren, als er ihr so nahe hatte sein dürfen, wie es Yasammez überhaupt jemandem gestattete, hatte er sich einen Sport daraus gemacht, sie zum Reden zu bringen. Keiner der jetzt noch Lebenden dachte auch nur an so etwas. Das war einer der Gründe, warum sie der Anblick seines veränderten, jetzt so fremdartigen Gesichts dermaßen beunruhigte. »Ich verleugne gar nichts, Herrin, und das wisst Ihr. Ich war ein Werkzeug — zuerst Eures, dann das des Königs — und kann mich gar nicht mangelnder Loyalität schuldig machen. Bis vor einem Mond wusste ich nicht einmal mehr, wer ich wirklich bin. Wie könnte ich da ein Verräter sein?«
    »Ihr wisst es. Ich habe Euch vertraut.«
    »Mir vertraut, sagt Ihr? Ihr seid immer noch gleich grausam, Herrin, was auch immer die Zeit ansonsten verändert haben mag.« Er lächelte, aber in die Ironie mischte sich echte Bitterkeit. »Der König war weiser, als Ihr dachtet. Und stärker. Er machte mich zu seinem Eigentum. Er sandte mich aus, um unter den Sterblichen zu leben. Und es hat Früchte getragen, nicht wahr? Im Augenblick stirbt niemand.«
    »Es wären nur Sonnländer gestorben. Wir hätten gewonnen.«
    »Was gewonnen? Einen ruhmreicheren Tod des gesamten
Volkes?
Der König hat offenbar andere Ambitionen.«
    »Er ist ein Narr.«
    Kayyin hob die Hand. »Ich maße mir nicht an, in den Streitigkeiten der Höchsten richten zu wollen. Selbst als Ihr mich erhobt, war es dafür dann doch nicht hoch genug.« Er sah sie aus dem Augenwinkel an, fragte sich vielleicht, ob diese kleine Spitze sie getroffen hatte, aber Yasammez blieb so unbewegt wie kalter Stein. Sie war schon alt gewesen, als Kayyins Vater mit ihr gegen die illegitimen Nachkommen' Umadi Svas gekämpft hatte, und sie hatte ihn in den Armen gehalten, als er auf der Zitternden Ebene qualvoll seinen Verbrennungen erlegen war. Nein, sie fühlte keine Scham — zumindest nicht wegen irgendetwas, das mit Kayyin zu tun hatte.
    Nach einer ausgedehnten Schweigepause lachte der Verräter. »Wisst Ihr, es war seltsam, bei den Sonnländern zu leben. Sie unterscheiden sich gar nicht
so
sehr von uns, wie man meinen könnte.«
    Eine so schändliche Bemerkung würdigte sie keiner Antwort.
    »Ich habe viel darüber nachgedacht, seit ich zu Euch zurückgekehrt bin,

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