Das Spiel
könnte Enander von Syan Eurer Sache wohlwollend gegenüberstehen — er hat den Tollys nie ganz verziehen aber er wird einen Preis dafür verlangen.«
»Einen Preis? Was für einen Preis? Bei den Göttern, bedeutet der Vertrag vom Kaltgraumoor denn gar nichts? Anglin
rettete
sie alle, und Syan und die anderen Reiche gelobten, uns jederzeit beizustehen.« Sie verkniff sich ein paar wenig damenhafte Worte: Shaso hatte während ihrer Kampfübungen schon ihr gesamtes Repertoire gehört, aber sie hatte Hemmungen, vor Effir dan-Mozan zu fluchen. »Außerdem haben wir doch, bis Südmark wieder unser ist, gar nichts, was wir diesen habgierigen Leuten geben könnten ...«
»Enander von Syan ist nicht besonders habgierig, aber dieser Vertrag ist, auch wenn er in den Markenlanden noch so hochgehalten wird, doch schon etliche hundert Jahre alt. Es könnte sein, dass Enander sich mit Gold begnügt, sobald wir Euren Thron wiedererobert haben, aber meiner Meinung nach hat er auch einen heiratsfähigen Sohn, der ein recht ansehnlicher Mann sein soll ...«
»Ich muss mich also selbst verkaufen, um meinen Thron wiederzuerlangen?« Ihr Gesicht glühte so heiß, dass sie vom Kohlebecken wegrückte. »Da könnte ich genauso gut Ludis Drakava heiraten!«
»Ich denke, Ihr würdet in dem syanesischen Prinzen einen weitaus angenehmeren Ehemann finden, aber lasst uns hoffen, dass es einen anderen Weg gibt.« Shaso runzelte die Stirn, nickte dann. »Wenn Ihr uns entschuldigt, Hoheit, könnten Effir und ich schon einmal in Syan vorfühlen. Was auch immer wir tun, wir sollten es bald tun.«
Briony erhob sich wütend und unglücklich, aber bemüht, es nicht zu zeigen. »Ich
werde
heiraten, um den Thron der Eddons zu retten ... wenn es der einzige Weg ist.«
»Ich verstehe, Hoheit.« Shaso sah sie mit einem Ausdruck an, der beinah väterliche Zuneigung hätte sein können, hätte sie nicht gewusst, dass der alte Mann so etwas mied wie einen juckenden Hautausschlag. »Ich werde Eure Freiheit nicht unnötig verkaufen, nachdem ich mein Leben lang darum gekämpft habe, meine eigene zu behalten.«
In ihrem Kummer und ihrer Verwirrung hatte Briony mehr als ihre übliche kleine Portion von dem süßen Wein getrunken, den Idite und die anderen so gern mochten. Folglich hatte sie einen schweren Kopf, als sie im Dunkeln aufwachte, und begriff zunächst gar nicht, wo sie war, geschweige denn, was vor sich ging.
Eines der jüngeren Mädchen stand in der Tür, von Kopf bis Fuß in eine Decke gehüllt, so dass es aussah wie ein Wüstennomade.
»Herrin Idite, da sind Männer am Tor und verlangen Einlass!«, rief sie. »Euer Gemahl, dan-Mozan, redet mit ihnen, aber sie sagen, sie schlagen das Tor ein, wenn er sie nicht hereinlässt!«
»Bei der Großen Mutter, wer ist das? Räuber?«
Obwohl Idite sichtlich verängstigt war, klang ihre Stimme fast so ruhig wie an den Abenden, wenn sie Geschichten erzählten.
Das Mädchen in der Türöffnung schwankte. »Sie sagen, sie Männer von Baron Iomer. Sie sagen, dass wir eine gefährliche flüchtige Person verstecken.«
Briony, die sich gerade aus dem Bett gemüht hatte, bekam ganz weiche Knie und fiel beinah hin. Eine flüchtige Person — das konnte doch nur sie sein. Oder Shaso, rief sie sich in Erinnerung. Man hält ihn immer noch für einen Mörder.
»Zieht euch an, Mädchen — alle.« Idite erhob die Stimme, um das ängstliche Gemurmel zum Verstummen zu bringen. »Wir müssen auf Schwierigkeiten gefasst sein, und es gilt zumindest, anständig gekleidet zu sein, falls Fremde hereinplatzen.«
Brionys Sorge galt weniger dem Anstand als ihrer Verteidigungsfähigkeit. Sie zögerte nur ganz kurz und fuhr dann in die weite Tunika und die Kniehosen, die sie von Talibo ausgeliehen hatte, und griff nach dem einen Paar praktischer Schuhe, das ihr Idite gegeben hatte, weiche Lederschlüpfstiefel, in denen sie im Notfall wenigstens rennen oder kämpfen konnte. Sie steckte ihre Yisti-Dolche in den Stoffgürtel ihrer Tunika und schlug dann ihr Gewand um sich, um die Männerkleider und die Messer zu verbergen und sich einigermaßen unauffällig unter die anderen Frauen mischen zu können.
Als laute, wütende Stimmen durchs Haus hallten, wurde Briony klar, dass Idite die Frauen versteckt halten wollte, in der Hoffnung, dass alles ein glückliches Ende finden würde, ohne dass sie überhaupt mit den Männern des Barons zusammenträfen. Briony war nicht gewillt, passiv auf ihr Verderben zu warten. Die
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