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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Wohnt da Euer Volk?«
    »Nein«, sagte Giebelgaup, »nur jene, die der Lauscherin dienen.«
    »Der Lauscherin?«
    »Gebt acht, wohin Ihr tretet, bitte. Und auch mit Eurem Kopf.«
    Utta sah gerade noch rechtzeitig auf. Im nächsten Moment wäre sie gegen eine der Hängebrücken gelaufen. Von Nahem erkannte sie, dass es keineswegs so simple Konstruktionen waren, wie sie gedacht hatte: Das Knüpfwerk war regelmäßig und dekorativ, und die Holzplanken waren ganz offensichtlich liebevoll von Hand gehobelt worden. Sie beschloss, sich noch vorsichtiger zu bewegen. Auch nur eine dieser Brücken durch ihr Ungeschick zu zerstören, wäre eine Schande.
    »Hättet Ihr je gedacht, dass es hier so etwas gibt, vor unserer Nase?«, fragte sie Merolanna.
    »Diese Burg war immer schon voller Geheimnisse«, sagte die alte Frau, und es klang seltsam wehmütig.
    Sie drangen tiefer in den alten Speicherraum vor, der längst ein wundersamer, magischer Ort geworden war, ein Ort voller Miniaturbrücken und -leitern, voller Möbelstücke, die jetzt Häuser beherbergten, mit den erstaunlichsten Einrichtungsstücken und Draperien, die Utta nur vage erahnen konnte, und winzigen Laternen, die in den Fenstern glommen wie Glühwürmchen.
    »Wo sind denn all die Euren?«, fragte sie.
    »Gibt nur wen'ge von uns, die an diesem Orte wohnen — nur jene, die dem Herrn des Höchsten Punkts persönlich dienen«, erklärte der Winzling. »Die bleiben drinnen, damit nicht Riesen sie zertrampeln.« Er hüstelte, was wie das Schniefen eines Vogels klang. »Ich bitt Euch um Verzeihung, hohe Dame.«
    Utta lächelte. »Nein, das klingt doch nur vernünftig. Wie lange lebt Euer Volk denn schon hier, versteckt vor den trampeligen Riesen?«
    »Schon immer, hohe Dame. So lang wir denken können. Der Herr des Höchsten Punkts hat uns erschaffen und uns als Heimat diesen Ort gegeben. Nun ja, vielleicht nicht
diesen —
den Raum hier übernahmen wir in meines Urgroßvaters Zeiten. Doch unsre Lande, unsre Dächer, die sind schon immer unser.«
    »Warum nennt Ihr Euren Gott den Herrn des Höchsten Punkts?«, fragte Utta. »Welcher Punkt ist denn damit gemeint?«
    »Natürlich jener Punkt, den Ihr den Wolfszahn nennt«, sagte Giebelgaup, als wäre das doch das Offenkundigste auf der Welt — was es für ihn sicher auch war. »Dort wohnt der Herr.«
    Utta schüttelte den Kopf, aber nur ganz sachte, um den kleinen Mann nicht wegzuschleudern. Der Wolfszahnturm, der zentrale Turm der Burg, war der Berg Xandos der Dachlinge — die Wohnstatt ihres Gottes! Was für eine Welt, seine und ihre! Was für eine sonderbare, wundersame Welt!
    Die Königin erschien jetzt durch eine verborgene Tür irgendwo am anderen Ende des Raums, in einem Wagen, den eine Schar weißer Mäuse zog, und gefolgt von einer kleinen Phalanx Soldaten. Sie winkte Utta und Merolanna gebieterisch näher und führte sie noch etwas weiter jenen freien Durchgang entlang, der eindeutig die Hauptstraße dieses Speicherraumes war — gesäumt von Truhen und anderen Möbelstücken, die, wie Utta jetzt völlig klar war, Tempel, Priesterbruderschaften und Schwesternkongregationen beherbergten, allesamt im Dienste jenes Gottes, der nach dem Glauben dieser Leutchen auf dem Dach eines nahen Turms lebte.
    Altanias Wagen hielt jetzt am Ende des Durchgangs; ihre Mäuse setzten sich auf die Hinterpfoten und begannen, sich höchst unfeierlich zu putzen. An der Wand, hinter einer Art großem Platz von etwa zwei Metern Durchmesser, der durch das Beiseiterücken von Möbeln entstanden war, stand eine hohe Ankleidekommode, wie sie die reichen Frauen benutzten. Die Schubladen waren offen — die untersten am weitesten herausgezogen, die obersten am wenigsten — und durch ein Netz von Leitern und Rampen miteinander verbunden. Hier waren noch weitere der winzigen Turmarbeiter am Werk, aber Utta brauchte eine Weile, um zu erkennen, was sie machten. Ein längliches Bündel, fast wie ein von einer Spinne eingesponnenes Insekt, wurde vorsichtig von der obersten Schublade hinuntergelassen.
    »Wenn Ihr Euch hinknien könntet«, sagte Altania mit ihrer hohen, ruhigen Stimme. »Wir sind bei einer diffizilen Arbeit, und für uns alle ist es sichrer, solang Ihr sitzet oder kniet.«
    »Können wir voran machen?«, brummte Merolanna. »Dieses Kleid ist nicht für solche Spielchen gedacht. Wenn man mir gesagt hätte, dass ich auf dem Boden sitzen soll wie ein Kind mit einem Kreisel, dann hätte ich mein Nachtzeug angezogen.«
    Utta konnte es

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