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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Herrn der Hohen Gefilde«, sagte Altania, »das Öl hat es vollbracht, das Schloss zu lösen. Darüber war man sich nicht eins in meinem Kronrat. Jetzt macht die Türe auf — doch sacht. Es wird ein wenig dauern, bis meine Untertanen sich aus dem Weg gerettet.«
    »Macht Ihr's«, flüsterte Merolanna Utta zu. »Solch kleine Wesen erschrecken mich immer so.«
    Utta räumte die Bücherstapel auf dem Boden beiseite und bemühte sich dann, die Bücherregale wegzurücken, ohne dass sie kippten — was gar nicht so leicht war. Die Tür rührte sich zunächst nicht — sie fragte sich, ob die Dachlinge auch daran gedacht hatten, die Angeln zu ölen —, schwang aber dann mit einem Quietschen, das Utta durch und durch ging, nach ihrer Seite auf.
    »Vorsichtig!«, rief Altanias helle Stimme, aber das war überflüssig. Utta war schon einen Schritt vor dem zurückgewichen, was sie für ein halbes Dutzend im Türrahmen baumelnder Spinnen hielt, bis sie erkannte, dass es Dachlinge waren, die an Seilen hingen wie Turmarbeiter und langsam wieder zum Türsturz hinaufkletterten.
    Die meisten sahen sie nervös, manche sogar ängstlich an — kein Wunder, da sie ein paar Dutzend Mal so groß war wie diese Winzlinge, in deren Augen so hoch wie der Turm eines mächtigen Tempels — doch einer, der fast noch ein Junge war, vollführte eine Art Stechschritt mit den Beinen und entbot ihr so etwas wie einen militärischen Gruß, ehe er im Dunkel über der Tür verschwand.
    »Lebt wohl«, flüsterte Utta, als auch die übrigen Kletterer die Sicherheit des Türsturzes erreicht hatten. Sie drehte sich zu der kleinen Königin um, die immer noch auf ihrer Plattform im Kamin stand wie eine Zorienstatue in einem Schrein — Utta fragte sich, ob das Zufall war oder auch von den Dachlingen geplant. »Eure Leute sind sehr tapfer.«
    »Wir kämpfen mit Katzen, Ratten, Dohlen und Möwen«, sagte die Dachlingskönigin. »Unsere Mauern sind voll von Tausendfüßlern und Spinnen. Wir überleben nur durch Tapferkeit. Ihr könnt jetzt passieren.«
    Utta beugte sich in die Türöffnung.
    »Was ... was seht Ihr?« Merolannas Stimme zitterte ein wenig, aber sie lebte seit vielen Jahrzehnten am Hof und hatte gelernt, ihre Gefühle auch in Extremsituationen zu verbergen. »Können wir das jetzt hinter uns bringen?«
    »Es ist dunkel — ich brauche die Fackel.«
    »Nur eine Kerze bitte, Schwester Utta«, sagte die Königin. »Und wenn Ihr die Freundlichkeit besäßet und meinen braven Giebelgaup auf Eure Schulter nähmt, wird er Euch helfen, an unserer heilgen Stätte die Füße vorsichtig zu setzen.«
    Der kleine Mann, der schweigend auf der Kamineinfassung gestanden hatte, verbeugte sich. Utta ergriff ein Schälchen mit einer Kerze — es standen überall im Raum solche simplen Leuchter herum, als ob Olin immer gleich ein Dutzend entzündet hätte — und hielt dann dem Dachling die Hand hin, damit er daraufsteigen konnte.
    Merolanna stand auf, was nicht ohne einiges Schnaufen abging. »Ich komme mit. Was es auch sein mag, ich will es sehen.«
    »Ich stoße drinnen wieder zu Euch.« Die Dachlingskönigin hob die Hand. Die königliche Plattform schwebte empor und verschwand im Kaminabzug.
    »Gebt acht, wohin Ihr tretet, so wie sie Euch geheißen«, sagte Giebelgaup. Die Stimme kitzelte Utta am Ohr. Sie hob die Kerze und ging voran durch die Türöffnung.
    Der dahinter liegende Raum war von der Grundfläche her kaum halb so groß wie die Bibliothek des Königs, aber wesentlich höher: Mit erhobener Kerze sah Utta das Gebälk des Turmdaches selbst, verhangen mit etwas, das sie zunächst für Spinnweben hielt, das aber, wie sie dann erkannte, Dutzende, wenn nicht gar Hunderte kleiner Hängebrücken waren, keine breiter als ihre Hand. Manche waren nur einen Fuß lang, aber einige schwangen sich in Hängebögen ein Dutzend Fuß weit, verspannt mit dünnen Halteseilen.
    »Vorsicht!«, rief Giebelgaup. Utta sah auf ihre Füße und bemerkte, dass sie beinah auf eine Rampe getreten wäre, die vom Fußboden auf eine alte Rosenholztruhe führte. Die Truhe, die ihr etwa bis zur Mitte des Oberschenkels reichte, war offen, und die verrosteten Angeln hatten sich gelöst, sodass der Deckel schief hing und mit einer Ecke auf dem Fußboden auflag. Doch was Uttas Blick auf sich zog, war das Innere der Truhe. Winzige Gebäude reihten sich entlang der Rückwand — ein halbes Dutzend schlichter, aber wunderschön gebauter dreistöckiger Häuser.
    »Barmherzige Zoria«, sagte Utta.

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