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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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anderen Seite des Feuers lag. Vemochte der Prinz wirklich mit ihm zu sprechen? Und wie konnte so ein Wesen überleben, ohne Mund und ohne Nase? Das schien doch völlig verrückt. Wie atmete es, wie ernährte es sich?
    Ich bin in einem Alptraum gefangen,
dachte er,
und er wird mit jeder Stunde schlimmer. Jetzt haben wir auch noch einen mörderischen Feind eingeladen, unser Feuer mit uns zu teilen.
Er lehnte sich gegen eine unbequeme Baumwurzel, in der Hoffnung, dass sie ihn wach halten würde.
Ein grässlicher Wachtraum, und alles, was ich will, ist schlafen ...
     
    Als Vansen aufwachte, hatte der Regen nachgelassen, aber es tropfte immer noch von den Bäumen auf den dicken Teppich aus Laub und Nadeln, was wie tausend gedämpfte Schritte klang. Da war Tageslicht, aber nur das übliche, diffuse Dämmergrau.
    Vansen stöhnte. Er hasste diese Gegend. Er hatte gehofft, diese Schattenlande nie wieder zu sehen, doch als hätten die Götter seinen Wunsch vernommen und ihm einen üblen Streich zu spielen beschlossen, schien er sich diesem Alptraum gar nicht entziehen zu können.
    Er fuhr erschrocken hoch, als ihm klar wurde, dass er wider seinen festen Vorsatz eingeschlafen war — mit einem mordgierigen Zwielichtler hier in ihrem Biwak! Er sah sich hastig um, aber das seltsame Wesen, das angeblich Gyir hieß, schlief: Jetzt, da der dunkle Mantel den größten Teil seines Gesichts verhüllte, sah es fast aus wie ein normaler Mensch.
    Auch der Prinz schlief noch, aber Vansen war die Situation so unheimlich, dass er über den Laubteppich zu ihm hinüberkroch, um ihn genauer zu inspizieren. Es war alles in Ordnung: Barricks Brustkorb hob und senkte sich. Vansen musterte das blasse Gesicht des Jünglings, die weiße Haut, durch die selbst im Feuerschein die blauen Adern erkennbar waren. Plötzlich fühlte er sich unendlich müde und mutlos. Wie sollte er je ein so schwächliches Kind — und ein verrücktes noch dazu — inmitten all dieser Fremdheit und Gefahr behüten und beschützen?
    Ich habe es seiner Schwester versprochen. Ich habe ihr mein Wort gegeben.
Und selbst hier, am Ende der Welt, bedeutete das Wort eines Mannes doch wohl etwas — vielleicht sogar alles. Wenn nicht, dann wankte die Welt, stürzte der Himmel ein und kehrten die Götter aller Bedeutung den Rücken.
     
    »Gyir wird mit mir reiten«, verkündete Barrick.
    Der Zwielichtler regte sich, wachte auf oder zeigte jetzt jedenfalls, dass er wach war. Vansen beugte sich näher an den Prinzen heran, damit er leiser sprechen konnte. »Hoheit, ich flehe Euch an, überlegt es Euch noch einmal. Ich weiß nicht, was für ein Zauber von Euch Besitz ergriffen hat, aber welchen Grund könntet Ihr haben, diesen Feind mitzunehmen — eine Kreatur, deren Art entschlossen ist, uns Menschen auszurotten?«
    Barrick schüttelte nur den Kopf, fast schon traurig. »Ich kann es Euch nicht erklären, Vansen. Ich weiß, was ich tun muss, und es ist etwas viel Wichtigeres, als Ihr verstehen könnt. Ich mag es ja selbst auch nicht gänzlich verstehen, aber ich weiß, dass es so ist.« Der Prinz wirkte so lebhaft wie in all den Wochen, seit sie von der Südmarksburg aufgebrochen waren, nicht mehr. »Und ebenso sicher weiß ich, dass dieser Mann, Gyir,
seinen
Auftrag erfüllen muss. Er wird mit mir reiten. Gebt ihm jetzt seine Rüstung und sein Schwert zurück. Dies sind gefährliche Lande.«
    »Was? Nein, Hoheit — sein Schwert bekommt er nicht, und wenn Ihr mich einen Verräter schimpft!«
    Gyir war jetzt wach. Im leichten Hängen seiner Lider und der Art und Weise, wie er unter Vansens prüfendem Blick den Kopf abwandte, glaubte der Gardehauptmann so etwas wie Belustigung zu lesen. Es erboste ihn, veranlasste ihn aber auch, sich wieder zu fragen, wie dieses Wesen überhaupt zu leben vermochte. Wie atmete es, wie aß es? Wenn sein glattes Gesicht zu keinem erkennbaren Mienenspiel fähig war, wie teilte es sich dann anderen mit? Der Prinz jedenfalls schien der Überzeugung zu sein, es zu verstehen.
     
    Gyir behielt seinen gewitterwolkenblauen Brustpanzer und seinen Helm, ließ aber den Rest seiner Rüstung einfach am Boden liegen, wo ihn das Gras bereits zu überwuchern schien. Der Elbe schwang sich hinter Barrick auf das seltsame dunkle Pferd, das der Prinz vom Schlachtfeld mitgebracht hatte. Der lange Zwielichtdämon hätte, wenn er gewollt hätte, dem Jungen im Nu das schmale Genick brechen können, aber Barrick schien diese Nähe nicht zu beunruhigen. Zusammen sahen sie aus wie

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