Das Spiel
Reichweite der Krallenhände war, die noch ein paarmal matt durch die Luft fuhren und sich dann im Todeskrampf krümmten.
Vansen ließ sich nur einen Moment Zeit, Atem zu schöpfen und seine Klinge am nassen Gras abzuwischen, ehe er wieder in den Sattel stieg, besorgt um den Prinzen, aber auch wütend. Hatte der Junge ihn nicht rufen gehört?
Er fand Barrick nur ein kurzes Stück weiter. Der Junge war abgesessen und starrte auf ein gutes Dutzend der höckerbewehrten Kreaturen, diesmal offenbar allesamt wirklich tot. In ihrer Mitte lagen ein totes Pferd mit herausgefetzter Kehle und eine Gestalt, bei der es sich offenbar um den ebenfalls toten Reiter handelte. Die auf dem Bauch liegende Gestalt war schwarzhaarig und von menschlicher Statur, verhüllt von einem zerrissenen dunklen Umhang und einer Rüstung aus einem eigenartigen Material, das wie blaugraues Schildpatt aussah. Vansen saß ab und schob vorsichtig die Hand zwischen Helm und Panzer des Mannes. Zu seiner Überraschung fühlte er unter seinen Fingern eine langsame, mühsame Atembewegung. Als er den Reiter umdrehte und ihm den störenden Schädelhelm abnahm, erwartete ihn der zweite Schock: Der Mann hatte kein Gesicht.
Nein,
erkannte er gleich darauf,
er hat eins — aber es ist kein menschliches Gesicht.
Er schlug das Zeichen der Drei, während er gegen eine plötzlich aufsteigende Übelkeit ankämpfte. Da waren Augen in der bleichen Membran aus Fleisch, die sich zwischen der Kopfhaut und dem schmalen Kinn spannte, aber weil sie geschlossen waren, schienen sie auf den ersten Blick nur Fleischfalten, und außerdem klebte da überall Blut, das aus einer ziemlich tödlich aussehenden, klaffenden Wunde in der hohen Stirn stammte — wenigstens war das Blut so rot wie das eines rechtschaffenen Menschen. Aber der Rest des Gesichts war so glatt wie ein Trommelfell, ohne Nase und ohne Mund.
Die Augen des gesichtslosen Mannes öffneten sich flackernd: Augen, so rot wie das verschmierte Blut. Sie mühten sich, den Gardehauptmann und den Prinzen zu fixieren, rollten dann aber weg, und die wächsernen Lider fielen wieder zu.
Vor Angst und Abscheu zitternd, erhob sich Vansen. »Es ist einer von
ihnen.
Einer von den mordgierigen Zwielichtlern.«
»Er gehört meiner Herrin«, sagte Barrick ruhig. »Er trägt ihr Zeichen.«
»Was?«
»Er ist verletzt. Kümmert Euch um ihn. Wir machen hier Rast.« Barrick saß ab und stand wartend da, als ob das, was er gesagt hatte, absolut vernünftig und sinnvoll gewesen wäre.
»Verzeiht, Hoheit, aber was denkt Ihr Euch? Das ist einer von den Dämonen, die uns töten wollten — die
Euch
töten wollten. Sie haben unser Heer vernichtet und unsere Ortschaften zerstört.« Vansen steckte das Schwert weg und zog seinen Dolch aus der abgewetzten Scheide. »Nein, tretet zurück, ich werde ihm die Kehle durchschneiden. Das ist ein gnädigerer Tod, als er vielen der Unseren zuteil wurde ...«
»Halt.«
Prinz Barrick trat vor, als wollte er die Kreatur mit seinem eigenen Leib schützen. Ferras Vansen konnte ihn nur verblüfft anstarren. Barricks Blick war ruhig und wach — überhaupt schien er wieder mehr er selbst als in irgendeinem anderen Augenblick, seit sie die Schattengrenze überquert hatten —, aber er verhielt sich immer noch wie ein Irrer.
»Hoheit, bitte, ich flehe Euch an, geht aus dem Weg. Dieses Monstrum ist einer der Mörder unserer Leute. Ich habe es mit eigenen Augen unter Aldritchmannen und Kertewallern wüten sehen wie einen Hund unter Ratten. Ich kann es nicht am Leben lassen.«
»Ihr
müsst
ihn am Leben lassen«, erklärte Barrick. »Er ist in einer wichtigen Mission unterwegs.«
»Was? Welcher Mission?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich erkenne die Zeichen an ihm, und ich höre ihre Stimmen in meinem Kopf. Wenn wir ihm nicht helfen, werden noch mehr von ... noch mehr Sterbliche ihr Leben lassen.« Es war seltsam, dieses kurze Stocken des Prinzregenten, als ob er für einen Moment vergessen hätte, auf welcher Seite er stand.
»Aber woher wollt Ihr das wissen? Und wer ist diese ›Herrin‹, von der Ihr sprecht? Doch gewiss nicht Eure Schwester. Prinzessin Briony würde nichts dergleichen wollen.«
Barrick schüttelte den Kopf. »Nicht meine Schwester, nein. Die Fürstin, die mich gefunden hat und über mich gebietet. Sie ist eine der Höchsten. Sie hat mich gesehen und ... erkannt. Jetzt helft ihm bitte.« Für einen Moment wurde der Blick des Prinzen noch klarer, aber es trat auch etwas Hartes in seine
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