Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Pickelstiel so fest, dass seine Handfläche schmerzte, und das Werkzeug, das er eine Stunde lang ohne das geringste Zittern schwingen konnte, bebte jetzt.
    »Wer ist da?«, flüsterte Chert ins Dunkel. »Zeig dich!«
    Etwas stöhnte oder knurrte sogar, und jetzt erst erkannte Chert erschrocken, dass es draußen nicht deshalb so schwarz war, weil die Nachtlampen der Funderlingsstadt erloschen waren, sondern weil eine riesige Gestalt seinen Hauseingang verstellte und alles Licht abhielt. Er wich einen Schritt zurück und holte mit dem Spitzschnauz aus, um auf das Monster einzuschlagen, aber das Etwas stürzte durch die Tür und stieß ihn beiseite. Obwohl er es nicht getroffen hatte, brach es auf der Stelle zusammen. Es stöhnte wieder, und mit hämmerndem Herzen holte Chert erneut aus. Ein bleiches, rundes Gesicht sah zu ihm auf, dreckverschmiert, aber durchaus erkennbar in dem Licht, das jetzt durch die Türöffnung fiel.
    Chaven, der königliche Hofarzt, hob die Hände, die sich durch verkrustete, versengte Verbände in hässliche Pranken verwandelt hatten. »Chert? ...«, keuchte er. »Seid Ihr das? Ich fürchte ... ich habe Eure Tür ganz mit Blut verschmiert ...«

    Der Morgen war eisig, die Steine des Marktplatzes glatt. Die schweigenden Menschen, die sich vor dem großen Trigonatstempel von Südmark versammelt hatten, schienen eine einzige, gefrorene Masse, wie sie so dicht gedrängt am Fuß der Treppe standen, zum Schutz vor dem bitterkalten Seewind in Mäntel und Decken gehüllt.
    Matty Kettelsmit beobachtete die Adligen und Würdenträger, die mit ernsten Mienen aus dem Kuppelbau kamen. Er brauchte unbedingt etwas zu trinken. Einen Becher heißen Gewürzwein — oder besser gleich zwei oder drei! —, um seine durchgefrorenen Knochen und sein verkühltes Herz zu wärmen, um die harten, kalten, schneidenden Konturen des Tages abzumildern. Aber natürlich waren die Schenken alle geschlossen und die Burgküchen leer, da Hoch und Niedrig — Edelmann und Edelfrau, Aufwärterin und Küchenjunge — hier in der Kälte stehen mussten, um zu hören, was ihre neuen Herren zu verkünden hatten.
    Überwiegend neu zumindest: Konnetabel Avin Brone stand ebenfalls dort oben auf der Treppe, massig wie eh und je — noch massiger sogar, da ihn die dunklen Kleider und der schwere Mantel wie etwas aussehen ließen, das sich auf knarrenden Rädern statt in Stiefeln hätte fortbewegen sollen, irgendeine monströse Maschine, um die Mauern belagerter Burgen einzureißen. Wenn Kettelsmit irgendwelche Zweifel gehabt hatte, was die überraschenden Ereignisse der letzten Tage anging, so hatte sie vor allem Brones Anwesenheit zerstreut. König Olins verlässlichster Freund und bewährtester Gefolgsmann würde doch wohl nicht neben Hendon Tolly stehen, wenn da tatsächlich (wie heimlich geflüstert wurde) bei Prinzessin Brionys Verschwinden üble Machenschaften im Spiel gewesen waren. Kettelsmit hatte seine eigene Begegnung mit Brone keineswegs vergessen — nicht mal die Tollys von Gronefeld würden es wagen, diesen Mann zu erzürnen!
    Die Flöten der Tempelmusiker verstummten, das letzte Weihrauchgefäß war geschwenkt worden — der Rauch verflog bereits im rauen, kalten Seewind —, und nach einem blechernen Trompetenstoß der frierenden Herolde trat Avin Brone ein paar Schritte vor bis an die oberste Treppenkante und blickte auf die versammelten Burgbewohner herab.
    »Ihr habt in diesen letzten Tagen so vieles gehört.« Seine mächtige Stimme trug weit über die Menge. »Wirre Zeiten bringen wirre Geschichten hervor, und dies waren mit die wirrsten Zeiten, die wir alle je erlebt haben.« Brone hob eine mächtige Hand. »Ruhe! Hört gut zu! Erstens, es ist wahr, dass Prinzessin Briony Eddon entführt worden ist, offenbar von dem Schurken Shaso dan-Heza, dem Verräter, der einst unser Waffenmeister war. Wir suchen seit Tagen, aber innerhalb der Mauern von Südmark ist keine Spur von ihnen zu finden. Wir beten, dass die Prinzessin unversehrt zurückkehren möge, aber ich versichere euch, dass wir das nicht allein den Göttern überlassen.«
    Wieder erhob sich Gemurmel, lauter diesmal. »Wo ist der Prinz?«, rief jemand ziemlich weit vorn. »Wo ist ihr Bruder?«
    Brones Schultern hoben sich, und er ballte die Fäuste. »Schweigt! Müsst ihr alle brabbeln wie xandische Wilde? Hört mir zu, und ihr werdet alles erfahren. Prinz Barrick ist mit Tyne von Wildeklyff und den anderen auf dem Kolkansfeld gegen die Eindringlinge gezogen. Von

Weitere Kostenlose Bücher