Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Augen, ein Ausdruck von Schmerz, wie Eis, das sich auf einem seichten Tümpel bildet. »Ich ... ich weiß nicht, was man tun muss. Wie man es tun muss. Ihr müsst ihm helfen.«
    Vansen starrte Barrick an. Barrick starrte zurück. Kampflos würde der Junge nicht zulassen, dass er das Monstrum tötete, so viel war klar. Vansen hatte schon mehrfach versucht, Barrick aus diesen seltsamen, irrationalen Zuständen zu reißen, aber ohne Gewalt war es ihm nicht gelungen, so erbittert wehrte sich der Junge. Es würde schon schlimm genug sein, Briony Eddon gegenüberzutreten, wenn er zugelassen hatte, dass dem Jungen etwas passierte — wie viel schlimmer noch würde es sein, wenn er selbst den Prinzen verletzt hätte.
    Er fluchte lautlos und begann dann, der Kreatur den seltsamen, schildpattartigen Panzer abzunehmen, der sich wärmer anfühlte, als er bei dem nasskalten Wetter gewesen wäre, wenn er aus Metall oder irgendeinem anderen anständigen Material bestanden hätte.
Verfluchte schwarze Magie — ich hätte nie wieder hierher kommen dürfen.
Jede Stunde, so schien es, stand er vor einer neuen, fatalen Wahl.
Statt Soldat hätte ich lieber königlicher Vorkoster werden sollen,
dachte er grimmig.
Dann müsste ich, wenn etwas schiefginge, die Folgen wenigstens nicht mehr miterleben.

    Barrick Eddon war so lange in den Tiefen seiner selbst dahingedriftet, dass er erst jetzt, da er sich endlich wieder der Oberfläche näherte, zu begreifen begann, wie tief drunten er gewesen war.
    In dem Augenblick, als ihm die Elbenfrau in die Augen gesehen hatte, war ihm die Reihenfolge der Dinge entglitten. In jenem seltsamen Moment, als er hilflos und betäubt dagelegen hatte, während der Riese mit seiner Keule ausholte, aber darauf
nicht
der Tod gefolgt war, waren alle Momente seines Lebens, die zuvor so sorgsam aufgereiht gewesen waren wie die Kanjja-Perlen einer Halskette, plötzlich auseinandergeflogen, als ob jemand die Schnur zerrissen und die kostbaren Perlen in strudelndes Wasser geschleudert hätte. Seine Kindheit, seine Träume, Gesichter, die er kaum wiedererkannte, selbst all die Momente mit Briony, seinem Vater und der übrigen Familie, die Armee der Dämonen aus den Schattenlanden, eine Million weiterer schimmernder Momente — das alles war plötzlich unverbunden und gleichzeitig dagewesen, und Barrick war dazwischen umhergetrieben wie ein Ertrinkender, der seinen eigenen letzten Luftblasen nachblickt.
    Ja, eine Zeitlang war sich der Teil von ihm, der noch am klarsten zu denken vermochte, sicher gewesen, dass er tot
war,
dass die Keule des Riesen niedergesaust war, dass die Stachelschweinfrau und ihr durchdringender, allwissender Blick nichts weiter gewesen waren als ein letztes, flüchtiges Bild aus der Welt der Lebenden, ehe ihm diese entrissen worden war, ein Bild, das sich zu einer ganzen schattenhaften Imitation von Leben ausgedehnt hatte, zu einer weiteren Luftblase, der es nachzublicken galt, einer weiteren versprengten Perle.
    Jetzt wusste er es besser — jetzt konnte er wieder
denken.
Doch obwohl er den Regen und den Wind wieder auf seinem Gesicht fühlte, obwohl er wieder das Gefühl hatte, dass das Leben sich Augenblick für Augenblick abspielte, statt ihn als chaotischer Strudel zu umwirbein, war immer noch alles sehr sonderbar.
    Allein schon, dass er sich zwar nicht mehr erinnerte, was die Elbenfrau Wichtiges zu ihm gesagt hatte, aber dennoch wusste, dass er sich hinfort ihren Wünschen ebenso wenig widersetzen konnte, wie er Flügel hervortreiben und wegfliegen könnte. So wie gerade eben, als er gewusst hatte, dass ihr Diener, der Gesichtslose, den sie gefunden hatten, gerettet werden musste. Aber wie war es möglich, dass jemand über ihn gebieten konnte, ohne dass er sich erinnerte, warum das so war oder wie das Gebot lautete?
    Selbst die wenigen Dinge in Barricks Leben, die ihm einst Trost geschenkt hatten, schienen jetzt weit, weit weg — sein Zuhause, seine Familie, seine Lieblingsbeschäftigungen, all das, woran er sich geklammert hatte, wenn da immer wieder die Angst gewesen war, wahnsinnig zu werden. Aber jetzt schien von alldem nur Briony noch real — sie war in seinem Herzen, und es war, als könnte nicht einmal sein Tod sie dort herausreißen. Er hatte das Gefühl, dass er die Erinnerung an sie noch in das dunkelste Haus mitnehmen würde, bis an den Fuß von Kernios' Thron, aber alles andere, alles, was man ihm als so wichtig hingestellt hatte, war letztlich nicht mehr gewesen als eine

Weitere Kostenlose Bücher