Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Ungewöhnliches war. Da war es wieder — ein leises, scharrendes Geräusch wie von einer Maus in der Wand. Aber die Wände der Funderlingshäuser waren aus massivem Stein, und es hätte schon eine sehr kühne Maus sein müssen, die sich auf Opalia Blauquarz' Hoheitsgebiet wagte.
    Ist es der Junge?
Chert stockte das Herz.
Stirbt er an diesen seltsamen Dämpfen, die wir dort in den Tiefen eingeatmet haben?
Flint war seit ihrer Rückkehr nicht mehr richtig gesund. Er hatte die Tage zum größten Teil verschlafen und, wenn er wach war, so wenig gesagt wie ein Neugeborenes. Seine Adoptiveltern starrte er immer nur an, als wäre er ein Tier, das sie gefangen hielten — das vor allem hatte Opalia schier das Herz zerrissen.
    Chert wälzte sich aus dem Bett, bemüht, seine Frau nicht zu wecken. Er tappte ins andere Zimmer, wobei er den kalten Stein unter seinen abgehärteten Fußsohlen kaum spürte. Der Junge sah aus wie immer, schlief halb auf dem Bauch wie ein Schwimmer, mit offenem Mund und ausgestreckten Armen, die Decken von sich gestrampelt.
    Chert legte Flint zuerst die Hand auf die Rippen, um sich zu vergewissern, dass er atmete, fühlte dann seine Stirn, weil er fürchtete, das Fieber könnte zurückgekehrt sein. Als er sich im Dunkeln über den Jungen beugte, hörte er wieder das Geräusch — ein sonderbares, leises Kratzen, als ob sich irgendein Funderlingsahn aus den Tagen vor dem Brennen zu den Lebenden emporgrub.
    Chert richtete sich auf. Sein Herz raste jetzt. Das Geräusch kam aus dem vorderen Zimmer. Ein Einbrecher? Einer dieser glutäugigen Zwielichtler, ein Meuchler, den die steinerne Heerführerin ausgeschickt hatte, weil sie jetzt bereute, dass sie Chert hatte gehen lassen? Ihm war, als würde ihm gleich das Herz stehen bleiben, aber seine Gedanken rasten weiter. Die ganze Burg war in Aufruhr wegen der Geschehnisse der Winterfestnacht, und die Funderlingsstadt war erfüllt von argwöhnischem Geflüster — konnte es jemand sein, der das seltsame Kind, das Chert und Opalia zu sich genommen hatten, besonders fürchtete? Dass jemand etwas stehlen wollte, war unwahrscheinlich — Diebstahl kam in der Funderlingsstadt praktisch nicht vor, weil hier jeder jeden kannte und die Türen schwer waren und die Schlösser mit der von Generationen von Stein- und Metallwerkern erworbenen Kunstfertigkeit geschmiedet.
    Im vorderen Zimmer war nichts Ungewöhnliches zu bemerken, außer dass die Schälchen vom Abendessen immer noch auf dem Tisch standen — ein beredtes Zeichen für Opalias Niedergeschlagenheit und Lethargie. Noch im Endekamene, dem vorigen Monat, hätte sie sich lieber mit zwei gebrochenen Beinen durchs Haus geschleppt, als zu riskieren, dass ein morgendlicher Besucher das Geschirr vom Vorabend ungespült herumstehen sah. Aber seit Flint verschwunden und so seltsam verändert zurückgekehrt war, schien sie kaum noch die Energie aufzubringen, irgendetwas anderes zu tun, als mit rotgeweinten Augen am Bett des Jungen zu sitzen.
    Wieder hörte Chert das Kratzen, und diesmal war ihm klar, dass es von der Haustür kam: Jemand oder etwas versuchte, hereinzugelangen.
    Tausend abergläubische Ängste schössen ihm durch den Kopf, während er zu der Wandstelle ging, wo sein Werkzeug hing, und seinen schärfsten Pickel an sich nahm, einen sogenannten Spitzschnauz. Nie und nimmer konnte etwas durch diese Tür kommen, wenn er sie nicht öffnete — Opalias Bruder und er hatten Tage daran gearbeitet, das schwere Eichenholz zuzurichten, und die Angeln waren vom Besten, was die Handwerker des Metallhauses herstellten. Chert erwog sogar, wieder ins Bett zu gehen und das Problem auf den Morgen zu vertagen oder aber dem nächsten Haushalt zu überlassen, den der kratzende Möchtegerneinbrecher aufsuchen würde, aber irgendwie musste er an Giebelgaup denken, den Dachling, der beinah ums Leben gekommen wäre, als er Chert bei der Suche nach Flint geholfen hatte. Oben in der Burg herrschte Chaos: Soldaten in den Farben der Tollys stellten alles auf den Kopf, um etwas über Prinzessin Brionys rätselhafte Entführung herauszubekommen. Und wenn jetzt Giebelgaup derjenige war, der Hilfe brauchte? Wenn der kleine Mann dort draußen vor Cherts Tür stand und verzweifelt versuchte, sich in einer Welt von Riesen bemerkbar zu machen?
    Die Waffe verteidigungsbereit erhoben, holte Chert Blauquarz tief Luft. Draußen war es verblüffend dunkel — so dunkel, wie er die Straßen der Funderlingsstadt noch nie gesehen hatte. Er umfasste den

Weitere Kostenlose Bücher