Das Spiel
Chert es ihm je zugetraut hätte. »Er könnte eine Waffe sein — eine schreckliche Waffe und er ist in den Händen von Hendon Tolly, einem Mann ohne Güte und ohne Erbarmen. Er darf ihn nicht haben! Eure Leute ... wir müssen ...« Er sah sich um und schien erstaunt, dass er selbst derjenige war, der so laut redete. »Tut mir leid, Chert. Vielleicht habt Ihr ja recht. Das war alles so ... schwer.«
Chert tätschelte ihm wieder den Arm. Alle Funderlinge in dem großen Saal schauten jetzt her, wenn auch einige den Anstand hatten, so zu tun, als täten sie es nicht.
»Wir haben entschieden«, sagte Vorsteher Sard, »nicht zu entscheiden. Jedenfalls nicht im heikelsten Punkt, der Frage, wie es um die Legitimität der Regentschaft Hendon Tollys droben in der Burg steht und was wir gegebenenfalls unternehmen sollen.«
»Wir wissen, dass wir zu einer Entscheidung kommen müssen«, ergänzte Vorsteher Travertin. »Aber wir dürfen es nicht überstürzen.«
»In den anderen Punkten haben wir jedoch entschieden«, fuhr Sard fort und hielt dann inne, um erst wieder zu Atem zu kommen. »Chert Blauquarz, erhebt Euch und hört unseren Spruch.«
Chert erhob sich mit hämmerndem Herzen. Er versuchte, Zinnobers Gesicht zu sehen, irgendeinen Hinweis zu erhaschen, doch Vorsteher Decksteins dunkel gewandete Gestalt versperrte ihm die Sicht auf den Vertreter der Quecksilberfamilie.
»Wir verfügen, dass der Knabe Flint für seinen Dummejungenstreich, wie Zinnober es so hübsch formuliert hat, mit Hausarrest bestraft wird, was bedeutet, dass er das Haus nicht verlassen darf, es sei denn, er befindet sich in Begleitung von Chert oder Opalia Blauquarz.«
Chert atmete erleichtert aus. Sie verbannten den Jungen nicht aus der Funderlingsstadt. Er war so froh, dass er kaum aufpassen konnte, was die Vorsteher noch sagten.
»Chert Blauquarz selbst hat sich keines Unrechts schuldig gemacht«, verkündete Sard.
»Wenn er auch besser hätte nachdenken können«, warf Vorsteher Ätzkalk Zinn ein.
»Ja, das hätte er können«, sagte der alte Sard mit einem säuerlichen Blick auf seinen Kollegen, »aber er hat sein Bestes getan, einer schlimmen Situation abzuhelfen, und erst dann gemerkt, dass er ohne den Beistand der Zunft nicht auskam. Er erhält keine Strafe, darf aber hinfort in keiner dieser Angelegenheiten ohne Zustimmung der Zunft handeln. Habt Ihr das verstanden, Chert Blauquarz?«
»Ja, ich habe verstanden.«
»Und schwört Ihr bei den Mysterien, die uns alle binden, dass Ihr Euch daran halten werdet?«
»Ja, ich schwöre.« Doch obwohl ihn diese Entscheidungen erst einmal beruhigten, war er doch skeptisch, was längerfristig noch kommen würde. Außerdem hatte er sich inzwischen daran gewöhnt, Dinge zu tun, die andere — vor allem die Ratsmitglieder und Vorsteher — womöglich für jenseits seiner Befugnisse und Zuständigkeiten halten würden. Er und seine Familie gruben sehr tief in einem ziemlich seltsamen Erzgang.
»Als Letztes nun zu dem Arzt Chaven«, sagte Sard. »Was seine Behauptungen angeht, sind noch viele Fragen offen, und wir werden keine leichtfertige Entscheidung fällen, aber einiges gilt es jetzt gleich zu regeln.« Er musste husten und einen Augenblick schien es, als könnte er gar nicht weitersprechen. Doch dann kam er wieder zu Atem. »Er wird bei uns bleiben, bis wir entschieden haben, was zu tun ist.«
»Aber er kann nicht in Eurem Haus bleiben, Chert«, sagte Zinnober. »Es ist jetzt schon so gut wie unmöglich, Getuschel zu verhindern, und dass die Tollys noch nicht wissen, wo er ist, verdankt sich wahrscheinlich nur der Tatsache, dass sie uns von den Arbeiten in der Burg ausgeschlossen haben.«
»Wo soll er dann hin ...?«
»Wir werden ihn hier in der Zunfthalle unterbringen.« Zinnober sah die Vorsteher an. Sard und Ätzkalk nickten, aber Travertin und Gneis sahen ziemlich verdrossen drein. Chert vermutete, dass Zinnobers Stimme entschieden hatte.
»Opalia wird ihn bestimmt weiter bekochen wollen«, sagte Chert. »Jetzt, wo sie gelernt hat, was er mag.« Er lächelte Chaven an, der nicht ganz zu verstehen schien, was vor sich ging. »Oberirdler mögen Maulwurf nicht besonders, und Höhlengrillen essen sie gar nicht, nicht mal, wenn man ihnen ein Messer auf die Brust setzt.«
Ein paar andere Ratsmitglieder lachten. Im Augenblick ging es im Ratssaal so friedlich zu, wie man es irgend erwarten konnte — die Atmosphäre war zwar immer noch angespannt, aber es gab kein offenes Murren.
»Nun
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