Das Spiel
ignorieren, die nach seinen Füßen hackte.
»Wo wollt Ihr hin?«, fragte Aislin. »Seid Ihr nicht hergekommen, um etwas zu kaufen?«
Er blieb stehen, und ein Gedanke versuchte sich Zutritt zu seinem Bewusstsein zu verschaffen. »Ah ja. Doch.«
»Ihr vertragt kein Kelpblut, Junge, soviel steht fest.« Mit einem Grunzen stemmte sie sich hoch. »Ich gehe nur schnell zu meinen Pülverchen und Tränken. Setzt Euch ja nicht hin, sonst schlaft Ihr ein.«
Nach einer Weile (während der Kettelsmit und die Möwe wechselseitiges Desinteresse mimten) kam sie mit einem kleinen Stopfenfläschchen zurück, das nicht größer war als ein Kinderdaumen.
»Dieses Gift stammt von einem Oktopus der südlichen Meere — einem kleinen Ding, dem man nie zutrauen würde, so tödlich zu sein. Taucht eine Nadel hinein und benutzt nur
diesen einen Tropfen.
Das reicht, dass ihre Reise schmerzlos sein wird. Aber Vorsicht, sonst bringt Ihr Euch selbst um. Das Gift hier kennt keinen Herrn und Meister.«
Kettelsmit nahm das Fläschchen entgegen und starrte es an. Durch das blaue Glas war es nicht genau zu erkennen, aber die Flüssigkeit wirkte so klar und harmlos wie Wasser. »Vorsicht ...«, stammelte er. »Ich werde vorsichtig sein.«
»Das will ich Euch auch geraten haben.« Ihr Lachen war hart und rau. »Da ist genug drin, um ein Dutzend starker Männer zu töten. Ich selbst hantiere nicht gern damit. Mir ist einmal ein Missgeschick unterlaufen.« Sie ließ sich auf den Stuhl plumpsen. »Eins versteht sich wohl von selbst: Ihr kennt mich nicht, und ich kenne Euch nicht. Wie gesagt, Gewissensbisse sind nicht mein Problem, aber ich will keinen Ärger mit den Tollys. Also denkt dran, wenn hier jemand auftaucht und etwas über mich und über blaue Glasfläschchen wissen will, dann wird auch jemand nach Euch suchen. Verstanden?«
»Ja.« Das Bild dieser Skimmermänner, die mit dem Daumen die Schärfe ihrer Fischmesser prüften, während sie ihm nachstarrten, würde er so bald nicht vergessen. Das Kelpblut in seinem Magen schien zu gären und Blasen zu werfen. Er zögerte kurz, ehe er das Fläschchen in seinen Hemdsärmel steckte.
»Beim Urvater, Junge, packt es in irgendwas ein«, sagte sie entrüstet. »Hier, nehmt dieses Kelpblatt, das ist dick genug. Wenn Ihr hinfallt und das Fläschchen da so ungeschützt in Eurem Hemd steckt, steht Ihr nie wieder auf.«
Kettelsmit war jetzt schon ganz schlecht. Er stand noch einen Moment schwankend da und starrte Aislin an, dann drehte er sich zur Tür.
»Habt Ihr nicht was vergessen?«
»Bitte?« Er drehte sich wieder um. »Ach ja. Danke. Vielen Dank.«
»Nein, Tropf, mein Geld will ich. Eine Möwe und zwei Kupferstücke schuldet Ihr mir.« Sie grinste. »Und das ist schon der Sonderpreis für liebeskranke Dichter.«
»Gewiss.« Er fummelte das Geld heraus und gab es ihr. Nach einer kurzen Prüfung, die hauptsächlich darin bestand, dass sie mit dem Daumen den Rand jeder Münze nachfuhr, versenkte sie die Geldstücke an ihrem speckig glänzenden, runzligen Busen, der am ehesten einem altgedienten Sattel ähnelte. »Jetzt macht Euch auf. Und vergesst nicht, was ich gesagt habe: Es wäre besser für Euch, das ganze Fläschchen auf der Stelle auszutrinken, als auch nur einen Mucks drüber verlauten zu lassen, wo Ihr es herhabt.«
Kettelsmit war, als hätte ihm etwas von dem Gift bereits die Denk- und Sprechfähigkeit geraubt. Er nickte nur und wankte zur Tür und dann hinaus in das kalte Grau des Tages oder das, was noch davon übrig war.
An der Silberhakenstraße drehte er sich noch einmal um und blickte die Gasse entlang. Aislin, das Seekräuterweib, stand in der Eingangstür unter dem langen, bleichen Horn und starrte ihm nach. Sie hob die Hand wie zu einem Abschiedswinken, doch ihr seltsames, glubschäugiges Gesicht war jetzt kalt und verschlossen. Sie drehte sich um und ging ins Haus.
Matt Kettelsmit war sich der rasch hereinbrechenden Dämmerung ebenso überdeutlich bewusst wie des Fläschchens voll todbringenden Gifts in seinem Ärmel, während er sich beeilte, aus dem Lagunenviertel hinauszukommen.
Als Opalia vom Markt zurückkam, war ihre Tasche so gut wie leer und ihre Miene besorgt.
»Du siehst ja schrecklich aus, mein alter Schatz«, sagte Chert. »Ich gehe doch nur für diesen einen Tag auf die Burg hinauf. Da wird mir schon nichts passieren.«
»Um dich mache ich mir auch keine Sorgen«, knurrte sie und schüttelte dann ärgerlich den Kopf. »Doch, natürlich mache ich mir auch
Weitere Kostenlose Bücher