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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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es nicht über sich, mit Opalia darüber zu reden. Ihr machte das seltsam abwesende Verhalten des Jungen noch viel mehr zu schaffen als ihm. Er winkte ihr nur zu, während er im Hinausgehen seinen Werkzeuggürtel umschnallte.
    »Vermillona Zinnober hat mich gebeten, dir etwas von ihrem Mann auszurichten«, rief ihm Opalia nach.
    Chert blieb in der Haustür stehen. »Was denn?«
    »Ich soll dir sagen, dass Chaven dich noch mal sehen will, bevor du nach oben gehst.«
    Er seufzte. »Na gut.«
     
    Chaven stand mitten auf dem verspiegelten Fußbodenrund der Zunfthalle. Mehrere Funderlinge, die dabei waren, die Halle für die nächste Zunftversammlung vorzubereiten, umgingen den auf seine Füße starrenden Arzt höflich, so wie Kinder einen Bogen um ihren geistesabwesenden Vater machen. Zum ersten Mal erschienen Chert die eigenen Leute hier in ihrer mächtigen Halle klein.
    Der Arzt sah auch dann nicht auf, als Chert dezent hüstelte. »Chaven?«, sagte er schließlich. »Ihr wolltet mich sprechen?«
    Erschrocken fuhr Chaven herum. »Oh, Ihr seid es! Verzeiht, es tut mir wirklich leid, es ist nur ... dieser Ort. Ich finde ihn seltsam ... beruhigend ist nicht ganz das richtige Wort. Aber es ist einer der wenigen Orte, wo meine Sorgen einfach ... davonschweben ...«
    Chert hatte die Gegenwart des Herrn des Heißen Nassen Steins noch nie sonderlich beruhigend gefunden, noch nicht einmal in Statuenform. Er sah zu dem steinernen Abbild des Kernios empor, das tief in die Decke eingelassen war, dann hinab auf das Spiegelbild zu ihren Füßen. Gewissermaßen zwischen
zwei
Ausgaben des schwarzäugigen, düster dreinblickenden Erdgottes in der Luft zu hängen, erschien ihm erst recht nicht gerade tröstlich, zumal er und Chaven durch die Spiegelung zwei kleine, dicke Doppelwesen mit Füßen in der Mitte und einem Kopf an jedem Ende waren. »Man hat mir gesagt, Ihr wolltet mich noch sehen.«
    Chaven riss sich von dem Götterbildnis los. »Ah ja. Ich dachte nur, wir sollten noch mal besprechen, was Ihr sagen werdet.«
    »Felsriss und Firstenbruch, Mann«, schimpfte Chert. »Das haben wir doch schon ein Dutzend Mal durchgekaut! Was gibt's da noch zu besprechen?«
    »Tut mir leid, aber es ist wirklich wichtig.«
    Chert seufzte. »Es wäre ja etwas anderes, wenn ich so tun sollte, als ob ich Dinge wüsste, die ich nicht weiß, aber wenn er mir eine Frage stellt, die ich nicht beantworten kann, brumme ich einfach nur gewichtig vor mich hin und sage, ich muss mich zuerst mit meinen Funderlingskollegen besprechen.« Er sah Chaven mit leicht gequälter Miene an. »Und dann komme ich hierher zu Euch und erzähle Euch alles, und wir überlegen, was ich sagen soll.«
    »Gut, gut. Und woran erkennt Ihr, ob es mein Spiegel ist?«
    »Dunkler Rahmen aus Zypressenholz mit aufklappbaren Flügeln. Verziert mit geschnitzten Augen und Händen.«
    »Richtig, aber wenn nun kein Rahmen daran ist oder wenn er ihm einen neuen verpasst hat?«
    Chert atmete tief durch.
Geduld,
ermahnte er sich.
Er hat eine Menge durchgemacht.
Aber es war, als redete man mit einem Betrunkenen, der immer noch ein paar Tropfen Moosbier aus einem leeren Krug zu schütteln versucht. »Das Glas selbst ist leicht auswärts gewölbt.«
    »Ja. Sehr gut!«
    »Kann ich jetzt gehen? Ehe Okros beschließt, doch lieber jemand anderen damit zu beauftragen?«
    »Denkt Ihr auch daran, alles zu notieren, was Ihr nicht gleich versteht? Dann durchschaue ich vielleicht, was Okros vorhat. Versprecht Ihr mir's?«
    Chert sagte nichts, tippte aber auf die Schiefertafel, die an einer Schnur um seinen Hals hing. »Jetzt muss ich wirklich los.«
    Chaven wiederholte immer noch all die längst besprochenen Dinge, während er Chert zur Tür brachte, blieb dann aber zurück, als ob er sich nicht zu weit von der beruhigenden Gegenwart des Erdgottes und dem sicheren Hafen der großen Zunfthalle entfernen wollte.
     
    Chert war schon viele, viele Tage — fast einen Monat? — nicht mehr aus der Funderlingsstadt herausgekommen und staunte darüber, wie sehr sich alles verändert hatte, seit er das letzte Mal über der Erde gewesen war. Die raue Kumpanei, die sonst in der ganzen Burg geherrscht hatte, schien erloschen, erstickt von der zermürbenden Belagerungssituation, diesem seltsamen, anhaltenden Alarmzustand, der in mancherlei Hinsicht schlimmer war als ein unmittelbar drohender Angriff.
    Die halb von Schals und Kapuzen verhüllten Gesichter waren kalt und düster, auch dann noch, als er am Rabentor und in

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