Das Spiel
Sorgen um dich, weil du wieder mittendrin in diesem ganzen Großwüchsigenirrsinn steckst. Aber das ist es nicht, was mich quält. Wir haben nichts mehr zu essen im Haus, und auf dem Markt ist kaum was zu kriegen.«
»Warum?«
Sie schnaubte verächtlich. »Du bist wirklich ein Dummkopf, Chert! Was glaubst du denn? Die Burg ist von den Zwielichtlern umstellt, die Hälfte der Händler schickt keine Schiffe mehr hierher, und für die Funderlinge gibt es keine Arbeit. Das musst du doch wohl mitbekommen haben, wenn du dich die ganze Zeit in der Zunfthalle herumtreibst.«
»Sicher.« Er kratzte sich am Kopf. Sie hatte ja Recht: Nicht, als gäbe es keine Alltagsprobleme. »Aber Berkan Hud, der neue Konnetabel, hat doch versprochen, zweihundert von uns bei der Instandsetzung der Festungsmauern zu beschäftigen, deshalb sagen Zinnober und die anderen, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen.«
»Und womit will er sie bezahlen?« Sie hatte jetzt ihr Kopftuch abgenommen und wusch sich vehement die Hände in einer Waschschüssel. »Die Tollys geben doch mit vollen Händen Geld aus, um Kaufleute dazu zu verlocken, Lebensmittel und Getränke hierher nach Südmark zu schaffen, und dann noch die Schiffe, die sie kaufen, und die Söldnermatrosen, die sie dingen mussten, um den Hafen zu schützen.«
»Das alles hast du auf dem Markt gehört?«
»Meinst du, wir reden den ganzen Tag nur über Gemüse und Handarbeiten?« Sie trocknete sich die Hände an ihrem formlosen, oft geflickten alten Kleid ab, und Chert versetzte es einen Stich ins Herz, dass seine Frau nicht Hübscheres anzuziehen hatte. »Also wirklich! Männer! Du glaubst wohl, ihr macht alles ganz allein, was?«
»Schon ewig nicht mehr, mein gutes, altes Weib.« Er lachte verlegen. »Nicht, seit du da bist, um mir den Kopf geradezurücken.«
»Gut, dann geh jetzt und red mit dem Jungen, ehe du für den ganzen Tag verschwindest. Er hat eine schlimme Nacht hinter sich, und ich hab alle Hände voll zu tun, wenn ich aus diesen traurigen Resten hier etwas Essbares zaubern soll.«
Flint saß aufrecht im Bett, das weißgoldene Haar zerzaust, das Gesicht traurig und verschlossen.
»Wie geht's dir, Junge?«
»Gut.« Aber er sah Chert nicht an.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Deine Mu ... Opalia sagt, du hast eine schlimme Nacht hinter dir.« Er setzte sich auf die Bettkante und tätschelte dem Jungen das Knie. »Nicht gut geschlafen?«
»Ich hab gar nicht geschlafen.«
»Warum nicht?« Er blickte in das blasse, fast schon durchscheinende Gesicht. Flint sah aus, als bräuchte er Sonne. Ein seltsamer Gedanke — Chert konnte sich nicht erinnern, das jemals vorher in Bezug auf irgendjemanden gedacht zu haben. Aber die meisten Leute, die er kannte, gingen ja auch nie an die Sonne, wenn sie es vermeiden konnten.
»Zu laut«, sagte der Junge. »Zu viele Stimmen.«
»Letzte Nacht?« Zwar waren Zinnober und ein paar andere Zunftmitglieder am früheren Abend vorbeigekommen, um mit Chert über sein heutiges Unternehmen zu reden, aber sie waren schon wieder weg gewesen, ehe die Nachtlampen angegangen waren. »Tatsächlich? Na gut, dann werden wir versuchen, leiser zu sein.«
»Es sind zu viele da«, sagte Flint. Und ehe Chert nachfragen konnte, setzte er hinzu: »Ich träume schlimme Sachen. Ganz schlimme.«
»Was denn zum Beispiel?«
Flint schüttelte langsam den Kopf. »Weiß nicht. Augen, leuchtende Augen, und jemand hält mich fest.« Ein Schluchzen brach aus ihm hervor. »Es tut weh!«
»Ganz ruhig, Junge. Hab keine Angst. Das wird schon wieder, du hast einfach nur Schlimmes durchgemacht.«
»Aber ich will wieder schlafen! Keiner versteht mich. Sie lassen mich nicht schlafen! Sie rufen mich die ganze Zeit!«
»Komm, leg dich wieder hin.« Er tat sein Bestes, das Kind freundlich, aber bestimmt dazu zu bewegen, sich wieder auszustrecken. Er zog ihm die Decke bis unters Kinn. »Sch-sch. Schlaf jetzt ein. Opalia ist gleich nebenan. Ich muss weg, zur Arbeit, aber danach komme ich wieder.«
Mit unglücklicher Miene ließ sich Flint durch Streicheln und gutes Zureden so weit einlullen, dass er in einen leichten, unruhigen Schlaf sank. Chert stand so leise wie möglich auf, um ihn nur ja nicht wieder zu wecken.
Was haben wir diesem Jungen angetan?,
fragte er sich.
Was hat er nur? Vorher war er zwar seltsam, aber doch immer lebhaft und aufgeweckt. Seit ich ihn dort unten in den Mysterien gefunden habe, scheint er nur noch halb am Leben.
Er brachte
Weitere Kostenlose Bücher