Das Spiel
Autarch hob die Hände und musterte mit gerunzelter Stirn seine Fingerschützer. »Sollte ich vielleicht lieber die tragen, die wie Falkenkrallen geformt sind?«, sagte er. »Zu Ehren des bevorstehenden Falls von Hierosol. Was meint Ihr, Vash?«
Der Oberste Minister atmete unhörbar auf. Also doch mindestens noch eine weitere Stunde. »Das schiene mir eine durchaus angemessene Ehrerweisung Euren Vorfahren gegenüber, insbesondere ...« — er hielt inne, fest entschlossen, nichts Verfängliches zu sagen, konnte aber keine Fallstricke entdecken — »insbesondere Eurem großen Ahnen Xarpedon, der den Falken nach ganz Xand getragen hat.«
»Ah, Xarpedon. Der Größte unter uns allen — bisher.« Er sah auf, als ein Diener leise durch den Türvorhang trat, mit gesenktem Kopf stehen blieb und wartete, dass man ihn bemerkte. »Ja?«
»Der Begünstigte Bazilis ist da, o Goldener.«
»Gut! Ihr dürft zurücktreten, Vash.«
Der Oberste Minister zog sich durch den Ring von Bediensteten an die Kabinenwand zurück und landete neben der goldenen Sänfte des Scotarchen, einem vergoldeten Beförderungsmittel, nur wenig kleiner als das des Autarchen. Der verwachsene Prusus lugte aus dem Sänftenfenster wie ein verschüchterter Einsiedlerkrebs. Vash nickte ihm zu — eine reine Formalität, da jeder wusste, dass der Scotarch einfältig war und solche Dinge gar nicht mitbekam.
Sulepis lehnte sich auf dem Thron zurück und gab ein Zeichen, den Eunuchen hereinzulassen. Gleich darauf trat Bazilis ein, ungeheuer dick und gravitätisch in seinen Roben; es bedurfte einiger Zeit und beträchtlichen Geraschels, bis er sich dem Autarchen zu Füßen geworfen hatte.
»O Herr des Großen Zeltes, von Nushash gesegnet ...«, hob er an, doch der Autarch brachte ihn durch ein Aufstampfen mit der Sandale zum Schweigen.
»Halt den Mund. Wo ist er? Wo ist der Gefangene?«
»D-draußen, o Goldener. Ich dachte, Ihr würdet hören wollen, wie ich ...«
Der Autarch trat zu. Der Eunuch taumelte wimmernd rückwärts. Am Boden kauernd, sah er seinen Herrn angsterfüllt an und fuhr sich mit der Hand an die blutende Lippe. »Hol ihn«, sagte der Autarch. »Ich warte auf
ihn,
Narr, nicht auf dich!«
»J-ja, o Goldener, selbstverständlich.« Noch immer auf allen vieren kroch Bazilis rückwärts aus der riesigen Kabine, und sein leuchtend gewandetes Hinterteil wackelte in der Luft.
Sulepis wandte sich mit der strengen Miene eines Lehrers an Vash. »Aus Höflichkeit unserem Gast gegenüber werden wir in seiner Gegenwart Hierosolinisch sprechen. Wie steht es um Eures, Vash?«
»Gut. Gut, o Goldener, wenn ich es auch in letzter Zeit nicht oft gebraucht habe ...«
»Dann bekommt Ihr jetzt eine ausgezeichnete Gelegenheit zum Üben.« Der Autarch lächelte wie ein gönnerhafter, alter Onkel, obwohl der Mann, dem dieses Lächeln galt, mehr als dreimal so alt war wie er. »Schließlich könnt Ihr nie wissen, ob Ihr nicht bald zum Verwalter eines Kontinents berufen werdet, auf dem Hierosolinisch die Hauptsprache ist!«
Während Vash noch über diese Worte nachsann, die wie eine bizarre Verheißung seiner Beförderung zum Vizekönig ganz Eions klang, erschien der Gefangene.
Der Mann, den der Eunuch und die Wachen in die Kabine führten, wirkte auf Vash im Vergleich zum Autarchen wie eine gänzlich andere Sorte Lebewesen. Sulepis war jung, groß und schön, mit goldener, glatt rasierter Haut und einem raubvogelartigen Gesicht mit hohen Wangenknochen; der König des Nordens war überraschend gewöhnlich, mit struppigem, ungepflegtem, braunem Bart und dunklen Augenringen, die seine Kerkerblässe noch unterstrichen. Lediglich die Art, wie er den Blick des Autarchen erwiderte, verriet, dass er mehr war als nur ein unbedeutender Händler oder Handwerker: Es war ein ruhiger, nachdenklicher und abschätzender Blick. Der einzige Mensch, den Vash je so unbeeindruckt von der Gegenwart des Autarchen gesehen hatte, war der mörderische Soldat Daikonas Vo, aber ein solches Lächeln, wie es um Augen und Mund des Nordländerkönigs spielte, hätte Vo nie gezeigt. Je länger Vash darüber nachdachte, desto verwunderter war er, dass dieser Ausdruck verächtlicher Belustigung, so subtil er auch sein mochte, beim Autarchen nicht einen seiner üblichen jähen Wutausbrüche auslöste. Vielmehr lachte Sulepis.
»Da seid Ihr ja! Mein königlicher Kollege!« Er hob gebieterisch den Zeigefinger. »Bringt einen Sitz für Seine Majestät.« Zwei Diener eilten durch die Kabine und
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