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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hündchen, seit ihr Vater sie nach Hause mitgebracht hatte. »Aber er, und ich bin ihm gefolgt.« Nikos zeigte auf den kleinen, stummen Knaben, der bis unmittelbar hinter sie gelangt sein musste, ohne dass sie es gehört hatte.
    »Spatz!«, sagte sie stirnrunzelnd. »Du sollst doch im Bett bleiben, bis du wieder gesund bist.«
    Der stumme Junge lächelte und schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war noch blasser als gewöhnlich, und seine Stirn überzog eine dünne Schweißschicht. Er hob die emporgekehrten Hände, um anzuzeigen, dass er seiner Meinung nach bereits zu gesund war, um zu Hause zu bleiben.
    »Wo willst du hin, Qinnitan?«, fragte Nikos.
    »Nenn mich nicht so! Ich wollte nirgends hin. Ich habe nur nachgedacht und die Ruhe genossen. Die jetzt hin ist.«
    Gegen solche Bemerkungen war Nikos immun. »Gerade sind ein paar große Schiffe aus Xis angekommen. Willst du mit in den Hafen runtergehen und sie dir anschauen? Vielleicht kennst du ja irgendjemanden an Bord.«
    Etwas Törichteres und Gefährlicheres konnte sich Qinnitan nicht vorstellen. »Nein, ich will sie nicht anschauen. Ich habe dir doch gesagt — dein
Vater
hat dir doch gesagt —, dass ich nichts mit irgendjemandem aus dem Süden zu tun haben darf.
Nichts!
Begreifst du's denn nie?«
    Jetzt wirkte er ein wenig gekränkt, als ob ihr Ton schließlich doch den Panzer seines Desinteresses an allem, was außerhalb seines engen Horizonts von Vertrautem lag, durchdrungen hätte. Das Problem war, dass der Junge in sie verliebt war. Wie lächerlich, dass sie die unerwünschten Aufmerksamkeiten eines Gleichaltrigen erdulden musste, nachdem sie dem mächtigsten Herrscher der Welt entkommen war, der sie in seinem Frauenpalast eingesperrt und jeden Mann, der sie auch nur ansah, mit dem Tode bedroht hatte. Aber die Freiheit, so lernte sie allmählich, hatte eben ihren Preis.
    Also ließ sie es zu, dass Nikos hinter ihr herzockelte, während sie die gewundenen Straßen der Fuchstorhöhe im Schatten der alten Zitadellenmauern hinaufstieg, bis in die Region, wo Krokusse blühten und die Werkstätten und Schenken von den Häusern der Reichen abgelöst wurden, hübschen, weiß verputzten Anwesen mit hohen Mauern, hinter denen sich Gärten und schattige Innenhöfe verbargen, wenn auch all diese privaten Orte von den höher gelegenen Straßen aus einsehbar waren, sodass jede Gesellschaftsschicht den kritischen Blicken der nächst reicheren ausgesetzt war. Trotz ihrer Größe und Schönheit standen diese Häuser dicht beisammen, eins neben dem anderen an den Hügelstraßen, wie Muscheln, die bei Ebbe an der Flutlinie zurückblieben. Sie konnte sich nur ausmalen, wie es wäre, an einem solchen Ort zu leben statt in Kapitän Dorzas lautem, schäbigem Haus, das nach Fisch und nach Wein roch. Vor allem aber fragte sie sich, wie es wohl wäre, ein Haus für sich allein zu haben, eins, das niemand ohne ihre Erlaubnis betreten durfte, wo sie tun und sagen konnte, was sie wollte.
    Aber das würde nicht eintreten. Sie konnte sich hier in Hierosol verstecken, bei Leuten, die ihre Sprache sprachen, oder nach Xis zurückkehren und sterben. Was blieb ihr sonst noch?
    Spatz zog an ihrem Arm, was sie jäh daran erinnerte, dass sie nicht nur für ihr eigenes Leben verantwortlich war.
    Freiheit. Manchmal hatte sie das Gefühl: Je mehr sie davon hatte, desto mehr ersehnte sie sich.
     
    Als Nikos zum fünften oder sechsten Mal so getan hatte, als wäre er gegen sie gestolpert, und es diesmal sogar geschafft hatte, sie zu umfassen und leicht zu drücken, ehe sie seine Hand hatte wegschlagen können, beschloss sie, zum Haus des Kapitäns zurückzugehen. Jetzt, da es mit dem Alleinsein aus war und Nikos' unschuldig-dumme Fragen und weniger unschuldige Annäherungsversuche sie am Denken hinderten, war der beste Teil des Tages vorbei. Qinnitan seufzte. Zeit zurückzukehren, zu Tedora und ihrem Lachen, das wie das Meckern einer erschrockenen Ziege klang, in die rauchige Luft und das Durcheinander und den ewigen Lärm kreischender Kinder. Sie konnte es Nikos nicht verdenken, dass er seine Zeit lieber draußen verbrachte, sie wünschte nur, er verbrächte sie irgendwo anders als in ihrer Nähe.
    Sie legte den Arm um Spatz, der sich glücklich an sie schmiegte — er zumindest schien ganz zufrieden mit ihrem neuen Leben und spielte mit den jüngeren Kindern, als wären sie seine leiblichen Geschwister — raffte dann die Kapuze etwas enger ums Gesicht, wie sie es immer tat, wenn sie durch die

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