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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Nachbarschaft des Kapitäns ging, wo fast die Hälfte der Bewohner aus Xis zu kommen schien und viele davon Seeleute waren, die mehrmals im Jahr über die Ostaeische See hin- und herfuhren. Als sie den Fußweg entlangging, schien das Haus sonderbar still: Sie hörte eins der kleineren Kinder fröhlichen Unsinn brabbeln, aber sonst nichts.
    Tedora, die auf ihrem Schemel am Tisch saß, blickte auf. Sie hatte schon am Morgen zu trinken begonnen — auch ein Grund, weshalb Qinnitan das Haus verlassen hatte — und, dem Becher und dem Krug vor ihr und ihrem glasigen Bück nach zu urteilen, seither nicht aufgehört.
    Sie musste einmal hübsch gewesen sein, dachte Qinnitan oft. Hübsch genug, um sich einen Kapitän zu angeln, kein geringes Kunststück in Onir Soteros. Tedora war immer noch kräftig und beweglich, aber ihre Haut sah aus wie altes Leder, und ihre Finger waren knotig vom Alter und von harter Arbeit — wobei Qinnitan sie noch nicht viel hatte arbeiten sehen.
    »Er wartet auf dich.« Tedora zeigte auf das Schlafzimmer, und ein säuerliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Dorza. Er will dich sehen.«
    »Was?« Im ersten Moment war Qinnitan irritiert. Schickte Tedora sie dort hinein, damit sie die Konkubine ihres Mannes würde? Aber dann ging ihr auf, dass in einem so kleinen Haus das Schlafzimmer der einzige Raum war, wo man ungestört reden konnte — sie hatte Dorza schon Männer aus seiner Mannschaft dort mit hineinnehmen sehen, um mit ihnen über Schiffsdinge und über ihr unfreiwilliges Exil hier in Hierosol zu sprechen.
    Ein kalter Klumpen saß in ihrem Magen. Ein Gespräch unter vier Augen? Sie glaubte zu wissen, was er wollte, und fürchtete sich schon seit Tagen davor. Da Axamis Dorza jetzt zwei hungrige Mäuler mehr zu stopfen hatte, für die er eigentlich keine Verantwortung trug, würde er sie, Qinnitan, dem jungen Nikos zur Frau geben, um sie so in den Haushalt einzubinden, dass sie einen Teil der Arbeit übernehmen musste. Qinnitan hatte keinen Zweifel daran, dass das Tedoras Idee war. Wenn Dorza wirklich, wie sie vermutete, noch eine Familie drüben in Xis hatte, würde er nur zu bereitwillig darauf eingehen, um den Frieden hier in seinem hierosolinischen Ehehafen zu erhalten. Bei diesem Gedanken gefroren ihr Herz und Magen.
    »Ihr wolltet mich sprechen?«, sagte sie, als die dünne Tür hinter ihr zufiel. Es war dunkel im Raum, nur eine kleine Öllampe brannte auf der mächtigen Seekiste, die Dorza als Kapitänstisch diente. Die Gestalt, die dort saß, bewegte sich, aber so langsam und eigenartig, dass Qinnitan beinahe aufschrie, als fände sie sich plötzlich mit einem wilden Tier zusammengesperrt.
    Der Kapitän sah auf. Sein Gesicht, das normalerweise so klar geschnitten war wie ein Schiff, schien aller Knochen verlustig gegangen zu sein, das Kinn hing ihm auf die Brust, und die Augen waren unter den Brauen kaum zu sehen. »Ich habe ... mich unterhalten«, sagte Dorza langsam. »Mit Männern, die gerade aus Xis gekommen sind.« Sie roch seine Weinfahne durch den halben Raum. »Warum hast du mir nicht gesagt, wer du bist?«
    Jetzt überkam sie eine andere Art Frösteln. »Ich habe Euch nie belogen«, sagte sie, obwohl das eine weitere Lüge war. Sie fragte sich, ob in diesem Moment ein paar heilige Bienen im Bienentempel starben, wie es angeblich jedes Mal geschah, wenn eine der Novizinnen nicht die Wahrheit sagte oder einen unreinen Gedanken dachte.
Wenn das stimmt, muss ich inzwischen mindestens die Hälfte der armen Bienen umgebracht haben. Was bin ich doch in diesem letzten Jahr für eine Sünderin geworden, nur um mein Leben zu retten!
    »Du hast mir nicht alles gesagt. Ich wusste, dass du ...« Er senkte die Stimme. »Ich wusste, dass du Jeddins Geliebte bist. Aber mir war nicht klar ...«
    »Ich war
nie
Jeddins Geliebte«, sagte sie, und der Zorn war noch stärker als ihre Angst vor Axamis Dorzas seltsam grimmiger Laune. »Er hat sich mir aufgedrängt, mein Leben in Gefahr gebracht. Aber er hat nicht mit mir zusammengelegen, und auch kein anderer Mann hat es je getan!«
    »Hm, sei's, wie es sei«, sagte Dorza, der etwas überrascht schien. »Der entscheidende Knoten an der Sache ist — du bist aus dem Frauenpalast des Autarchen entflohen.«
    Sie holte tief Luft. »Das stimmt. Ich hatte die Wahl, zu entfliehen oder Mokori, dem Vollstrecker, übergeben zu werden, obwohl ich nichts Unrechtes getan hatte.«
    Dorza sprang auf und stand schwankend da. »Aber du hast
mich
umgebracht!«,

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