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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kälte. Warum war er immer noch hier? Warum war er nicht umgekehrt und nach Südmark zurückgeritten, wie es jeder vernünftige Mensch getan hätte? Stattdessen lag er hier neben seinem neuen Begleiter, diesem hässlichen, gerupften Raben, der ebenfalls zu schlafen schien, den Kopf unter den Flügel gesteckt. Barrick konnte den Raben nicht leiden, wusste aber selbst nicht, warum.
    Als er Gyir betrachtete, begann Barricks Herz plötzlich wieder wild zu pochen, und sein Magen krampfte sich zusammen. Bei allen Göttern, dieser Elbe war eine Gruselgestalt! Er erinnerte sich dunkel an ein Gefühl der Freundschaft, ja sogar
Verwandtschaft,
zwischen sich und dieser gesichtslosen Monstrosität, die mit einer Armee von Ungeheuern über die Lande der Menschen hergefallen war, um zu plündern und zu brandschatzen. Wie war nur ein solcher Wahnsinn möglich? Und jetzt war er praktisch der Gefangene dieser scheußlichen Kreatur, auf dem Weg in ein grausiges Schicksal, das nur die Götter kannten!
    Barrick blickte zu den Pferden drüben im Schattendunkel. Er erkannte Vansens schlummerndes Reittier und auch die ruhelose Silhouette des Zwielichtlerrosses, das irgendwie zu Barricks Pferd geworden war, wenn er auch nicht mehr wusste, wie eigentlich.
Ich könnte mich schnell in den Sattel schwingen und davonreiten,
durchfuhr es ihn. Ob er Vansen wecken sollte? Sollte er den Zeitaufwand riskieren? Barricks Hand tastete über den Erdboden, bis sie an den Knauf seines Kurzschwerts stieß. Noch besser: Ebenso schnell konnte er der Kreatur die lange, scharfe Klinge durch die Kehle ziehen.
    Doch in dem Moment, als sich Barricks gesunde Hand um den gerippten Griff schloss, schlug Gyir die Augen auf und starrte ihn an, als hätte er die mörderischen Gedanken des Prinzen gewittert. Gyir fixierte ihn mit einem wissenden Blick, die Pupillen rund und schwarz in dem schwachen Licht, schloss dann aber die Augen wieder, als ob er sagen wollte:
Nur zu.
    Barrick zögerte. Der Abscheu fühlte sich jetzt fremd an — auch nur eins dieser bizarren Gefühle, die ihn packten.
Meine Regungen, meine Gedanken — alles dreht und wendet sich wie der Wind!
Er war immer schon ein Opfer rasch wechselnder Stimmungen gewesen und hatte oft um seinen Verstand gefürchtet, aber jetzt überkam ihn schiere Panik, dass er den Kern seines Selbst verlieren könnte.
Vater hat gesagt, sein Leiden habe sich gebessert, sobald er von der Burg weg war. Es schien so, als würde es mir mit meinem ebenso gehen, aber jetzt ist es wieder da, und schlimmer denn je.
    Barrick versuchte, seine Gedanken zu ordnen, so wie es ihn sein Vater gelehrt hatte. Er wünschte, er hätte nicht immer patzig weggehört, wenn der König sprach. Jetzt war er an einem Ort gefangen, wo der kleinste Fehler tödlich sein konnte. Wie konnte er nur erkennen, was wirklich war und was nicht? Vor einem Tag noch hatte er den gesichtslosen Mann für einen Verbündeten gehalten, vielleicht sogar für einen Freund. Gerade eben war er ihm wie ein grässliches Monster erschienen. War Gyir wirklich eine solche Bedrohung, oder war er einfach nur ein Krieger im Dienste eines fremden Herrn?
    Keines Herrn — einer Herrin,
verbesserte sich Barrick. Und als ob alles nur wegen eines einzigen fehlenden Stützpfeilers gewankt und kurz vor dem Einsturz gestanden hätte, sah er jetzt die Kriegerin wieder vor seinem geistigen Auge, und seine Gedanken ordneten sich. Gyir, das Sturmlicht, war kein Monster, aber auch kein Freund. Barrick konnte es sich einfach nicht leisten, ihm so viel Vertrauen entgegenzubringen. Die Qar-Frau, Fürstin Yasammez, hatte ihn mit ihrem bodenlosen Blick in ihren Bann gezogen und ihm erstaunliche Dinge erzählt, auch wenn er sich kaum noch daran erinnern konnte. Was hatte sie gesagt, was ihn veranlasst hatte, so furchtlos die Schattengrenze zu überschreiten? Oder war es vielleicht etwas anderes gewesen, keine normalen Gedanken, sondern ein Zauber, der ihn gefügig gemacht hatte?
Sie hat mir von wunderbaren Landen erzählt, die ich noch nie gesehen habe, den Landen des
Volkes,
wie sie sagte. Von Bergen, höher als die Wolken, und einem schwarzen Meer und Wäldern, älter als die Zeit, und ... und ...
    Aber da war noch mehr gewesen. Und dieses
Mehr
war wichtig gewesen.
Sie sprach davon, mich dorthin zu schicken ... als Geschenk?
Geschenk? Wie konnte er denn ein Geschenk sein, es sei denn, die Qar wären Menschenfresser.
Sie schickt mich ... Saqri,
erinnerte er sich,
ja, das war der Name.
Jemand Wichtigem

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