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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schritttempo voran — führten ihre Pferde öfter, als dass sie ritten. Vansen hatte die ewige Dämmerung gehasst, aber jetzt sehnte er sich danach. Es schien, als wäre es sein Schicksal, so etwas immer erst zu erkennen, wenn es zu spät war.
    Skurn hüpfte auf den Weg, um eine Schnecke an einem halb im Schlamm steckenden Stein zu knacken. Der Rabe zog seine Mahlzeit gierig heraus, schlang sie herunter und richtete ein dunkel glänzendes Auge auf Vansen. »Reiten wir jetzt, Herr?« Skurn schielte unsicher zu Barrick hinüber, der den Raben mit der üblichen Verachtung ansah. »Wenn unsereins nicht ungebührlich dazwischenredet.«
    »Du scheinst ja sehr gut gelaunt«, bemerkte Vansen, der sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt hatte, mit einem Vogel zu sprechen.
    »Unsereins hat höchst köstlich gefrühstückt heut Morgen, einen toten Frosch, welcher grad anfing sich zu blähen ...«
    Mit einer Handbewegung unterband Vansen eine genauere Beschreibung. »Ja, aber ich dachte, du hättest Angst vor der Gegend, in die wir kommen. Woher dieser Sinneswandel?«
    Skurn nickte eifrig. »Weil wir jetzt wegreiten, Herr, und nimmer hin. Dieser Weg führt fort von Nordmark und von Kettenjack. Das war alles, was unsereins wollte.«
    Das erleichterte Vansen ein klein wenig. Wären da nicht der ewige, nach Asche riechende Regen und der finstere Himmel gewesen, und hätte er nicht gewusst, dass ihm eine weitere undankbare Tagesreise bevorstand, umgeben von Verrückten und Ungeheuern aus schauerlichen Sagen, und dass ihn am Ende des Tages ein Lager auf kaltem, hartem Boden und ein Abendessen aus zähen, bitteren Wurzeln erwarteten, dann, ja dann wäre er vielleicht auch besser gelaunt gewesen.
     
    Es war so gut wie unmöglich, Skurns unangenehmste Eigenschaft zu benennen, aber ziemlich weit oben auf der Liste stand gewiss seine Angewohnheit, pausenlos zu reden, solange ihn nicht gerade Angst zum Verstummen gebracht hatte. In seiner Erleichterung über die neue Reiserichtung plapperte der Rabe den ganzen Tag vor sich hin, zuerst laut, später dann etwas leiser, nachdem Vansen gedroht hatte, ihn an einem Strick hinterm Pferd herzuschleifen. Skurn benannte die Bäume und Büsche, gab alte Volksweisheiten über den Wald zum Besten und erging sich in aller Ausführlichkeit über die Köstlichkeiten, die in der Natur zu finden seien — ein widerlicher Vortrag, der darin gipfelte, welche Delikatesse frisch aus dem Nest schnabulierte Vogeljunge darstellten. Jetzt hatte Vansen genug.
    »Kannst du nicht einfach aufhören?«, fuhr er den Raben an. »Halt den Schnabel und sitz still, beim allmächtigen Trigon. Ich muss nachdenken! «
    »Aber ich kann nicht stillsitzen, Herr.« Skurn duckte sich und reckte den Schnabel empor, eine Haltung, die, wie Vansen inzwischen wusste, zum Ausdruck brachte, dass er litt — oder aber gleich den Sattel beschmutzen würde, was eine weitere reizende Angewohnheit des Vogels war. »Wisst Ihr, es ist das Reiten auf diesem Ross, das unsereins zapplig macht. Und wenn unsereins nicht spricht, wird unsereins noch zappliger, und das nimmt das Ross übel. Ihr habt doch gemerkt, wie es sich dann erschrickt?«
    Das hatte Vansen allerdings gemerkt. Schon zweimal hatte Skurn das Pferd zum Scheuen gebracht, und fast wären sie beide abgeworfen worden. Vansen konnte seinem Reittier keinen Vorwurf machen. Skurn hatte Schwierigkeiten, sich auf dem Pferd zu halten, und jedesmal, wenn er die Balance verlor, hakte er sich mit den Klauen fest. Und das tat er nicht nur, wenn er auf dem Sattel saß, sondern auch auf dem Hals des Tieres.
    Himmelsvater Perin, rette mich, ich flehe dich an,
betete Vansen.
Errette mich vor dem, was du mir aufgegeben hast. Ich bezweifle, dass ich stark genug bin, o Herr.
Laut sagte er: »Dann erzähl mir etwas Nützliches und nicht, wie man diese dicken haarigen Spinnen fängt und isst. Das werde ich nie tun, nicht mal, wenn ich am Verhungern bin.«
    »Soll unsereins dann eine Geschichte erzählen? Damit die Zeit schneller vergeht?«
    »Erzähl mir von dem, den du Krummling nennst. Oder von diesem Kettenjack, vor dem du solche Angst hast. Wer ist das? Und diese anderen, Nachtmänner und dergleichen.«
    »Ach nein, Herr, nein. Nicht von Jack, nicht so nah an seinem Land, und auch nicht von den Nachtmännern — zu schaurig. Aber unsereins kann ein wenig über den erzählen, den unsereins Krummling nennt. Das sind altehrwürdige Geschichten, die alle kennen — selbst unsereins, vom kleinsten Nestling

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