Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Schmiergeld gegen Anlegeerlaubnis — als der ernsthaften Suche nach illegal eingeführten Gütern gedient hatte. Von den Befestigungsanlagen der Stadt jedoch war er sehr angetan. Die Halbinsel von Hierosol auf der Ostseite der Wasserstraße, wo sich der größte Teil der Hafenanlage befand, war so beeindruckend wie ihr Ruf. Die Mauern zur See hin hatten zehnfache Mannshöhe und starrten von Schießscharten und Kanonen wie ein Stacheldachs von seiner nadeligen Zierde. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße von Kulloan lag der sogenannte »Finger«, eine schmale, trutzig befestigte Landzunge. Festungsplaner im gegenwärtigen Zeitalter der Kanonen hatten erkannt, dass im Fall der Einnahme der alten, schwächeren Befestigungsanlagen auf dem »Finger« das Herz Hierosols dem Kanonenfeuer von den eigenen Bastionen ausgesetzt gewesen wäre. Also hatten sie in den Befestigungen auf der westlichen Seite des Isthmus, der Stadt gegenüber, kleinere Kanonen aufgestellt, die zwar bis zur Mitte der Wasserstraße feuern konnten und den Wirkungsbereich der Waffen auf der östlichen Seite ergänzten, aber aus gutem Grund nicht die Stadtmauer auf der Ostseite zu erreichen vermochten.
    Auf seine kühle Art wusste Vo diese planerische Leistung zu würdigen, denn für solche Dinge hatte er etwas übrig. Wenn das Gerücht stimmte, dass Autarch Sulepis die Eroberung des von jeher mit Xis rivalisierenden Hierosol plante, dann hatte der Goldene ein hartes Stück Arbeit vor sich.
    Trotzdem wäre es eine interessante Herausforderung — eine Aufgabe, die als solche schon alle Zeit und Mühe wert war, ganz abgesehen von der reichen Plünderungsbeute und der Kontrolle über den weiten Strivotholossee, das immer noch bedeutende — und reiche — Königreich Syan und die übrigen Herzlande Eions, die ein erfolgreicher Eroberer Hierosols erlangen würde. Vielleicht, so ging es Vo durch den Kopf, würde er ja in den engsten Beraterkreis des Autarchen aufrücken, wenn er seine jetzige Aufgabe erfolgreich zu Ende brachte. Ja, es wäre wirklich lohnend, genügend Zeit und Denkarbeit darauf zu verwenden, die mächtigen Mauern Hierosols zu knacken wie eine Nuss, damit sie das wehrlose, nackte Fleisch der Bewohner den Armeen des Autarchen preisgaben, zuvörderst Vos eigenen Kameraden, den Weißen Hunden. Wenn dieser Tag je käme, wären die Schnauzen der Hunde blutgetränkt, daran bestand kein Zweifel. Die Intelligenz seiner perikalesischen Söldnerkameraden schätzte Vo nicht eben hoch ein, aber ihren schieren Kampfeshunger bewunderte er zutiefst. Ihr Name war gut gewählt: Man konnte sie jahrelang in einen Zwinger sperren, aber wenn man sie eines Tages herausließ, dann schlugen sie zu wie rohe Bestien.
    Bei diesen Gedanken glaubte er schon fast, das Blut in der salzigen Luft riechen zu können, und die schrillen Schreie der Möwen klangen in seinen Ohren wie das verzweifelte Klagen trauernder Frauen und Mütter. Daikonas Vo verspürte einen Schauer freudiger Erwartung, wie ein Kind, das an den bevorstehenden Jahrmarkt denkt.
     
    Seine Habseligkeiten in einem Seesack über der Schulter, nickte Daikonas Vo dem Kapitän des Handelsschiffes noch einmal zu, ehe er die Laufplanke betrat. Der Kapitän, der stolzgeschwellt dem Löschen seiner lukrativen Ladung entgegensah, nickte hoheitsvoll zurück.
    Der Handelskapitän hatte sich als geschwätziger Dummkopf entpuppt, und dafür war Vo dankbar. Während der achttägigen Überfahrt von Xis nach Hierosol hatte der Schiffsführer freimütig über seinen Kapitänskollegen Axamis Dorza gesprochen und Vo damit tagelange Kleinarbeit erspart. Er hatte sich kein einziges Mal gewundert, dass ein untergeordneter Palastbediensteter (denn als solcher hatte Vo sich vorgestellt) so viele Fragen stellte. Unter normalen Umständen hätte Vo kaum der Versuchung widerstehen können, den lästigen Kapitän zu töten und über Bord zu werfen — der Kerl sprach ständig mit vollem Mund, bekleckerte sich Bart und Kleidung und hatte außerdem die nervtötende Angewohnheit, bei jeder Unterhaltung mindestens ein Dutzend Mal »Ich schwör's bei den glühenden Toren von Nushashs Haus!« zu sagen, aber Vo wollte seine Mission nicht unnötig komplizieren. Nur zu deutlich stand ihm das Bild vor Augen, wie der Vetter des Autarchen Blut spie und sich hilflos am Boden wand.
    Daikonas Vo konnte nicht sagen, ob er an die Götter glaubte oder nicht, und im Grunde berührte ihn diese Frage auch nicht sonderlich. Wenn es die Götter

Weitere Kostenlose Bücher