Das Spiel
und das Mädchen, das Vo suchte, verschwunden war. Hauptmann Jeddin hatte trotz teuflischster Foltermethoden, die selbst Vo beeindruckt hatten, jede Verbindung zu dieser Qinnitan bestritten, aber dieses hartnäckige Leugnen war als solches schon wieder verdächtig. Warum sollte ein Mann, dem Finger und Zehen unter Höllenqualen abgerissen wurden, ein Mädchen schützen, das er kaum kannte, statt einfach alles zu gestehen, was man von ihm hören wollte? Das entsprach überhaupt nicht Vos reichhaltiger Erfahrung mit Menschen in Extremsituationen.
Er schulterte seinen Seesack, betrat die Laufplanke des Schiffs, das einst die
Morgenstern von Kirous
gewesen war, und pfiff dabei ein altes perikalesisches Arbeitslied, das sein Vater immer gesungen hatte, während er ihn verprügelte.
Nachdem Dorza sie hinausgeworfen hatte, hatte es Qinnitan mehrere Tage des Herumfragens gekostet, diese Waschküchenaufseherin zu finden. Währenddessen hatte sie sich in einer Situation befunden, die sie sich nie hätte vorstellen können: Sie hatte in den Gassen Hierosols schlafen und von dem leben müssen, was der stumme Junge namens Spatz zusammenstehlen konnte. Zum Glück hatte sich Spatz auf diesem Gebiet als überraschend tüchtig entpuppt. Soweit Qinnitan verstanden hatte, war der Junge im Palast des Autarchen nicht ausreichend ernährt worden, sodass er und die anderen Sklavenknaben ihre kärglichen Rationen durch Diebstähle hatten aufbessern müssen.
Die Waschküche der Zitadelle war riesig, ein Raum, der einmal die Lagerhalle eines Händlers gewesen sein mochte, aber jetzt gab es dort weder Zedernholz noch Gewürze, sondern nur Zuber mit dampfendem Wasser — Dutzende! Qinnitan dachte verblüfft, dass hier ständiger Nebel herrschen musste. An jedem Zuber standen zwei oder drei Frauen, über das heiße Wasser gebeugt, und ein Heer von weiteren Frauen und Jungen schleppte Eimer aus der Mitte des Raumes herbei, wo ein großer, in den Boden eingelassener Kessel durch ein Feuer im darunter liegenden Keller stetig am Brodeln gehalten wurde. Vor Qinnitans Augen verbrühte sich eins der Mädchen mit Wasser aus einem überschwappenden Eimer und sank schreiend zu Boden. Eine Frau mittleren Alters mit beeindruckend kräftigen Armen und Beinen, aber nicht dick, kam herüber, um das verletzte Mädchen zu untersuchen, versetzte ihm dann eine Kopfnuss und schickte es mit zwei anderen Waschfrauen weg, ehe sie eine dritte anwies, den Eimer zu nehmen, den die Verletzte wie durch ein Wunder nicht hatte fallen lassen. Die Hände in die Hüften gestützt, beobachtete die stämmige Frau, wie die Verwundete vom Schlachtfeld geführt wurde, und machte dabei ein Gesicht, als wollte sie sagen, dass die Götter wohl nichts anderes zu tun hatten, als ihr Leben mit kleinen Ärgernissen zu spicken.
Qinnitan bedeutete Spatz, an der Tür zu warten. Die Aufseherin sah sie an, als wäre ihr Erscheinen das eindeutige Vorzeichen eines neuerlichen, unfairen Anwurfs.
»Was willst du?«, fragte sie in hartem, unwirschem Hierosolinisch.
Qinnitan verneigte sich leicht, was nicht nur kalkulierte Höflichkeit war; von Nahem war die Frau unglaublich groß und kräftig, und mit ihrem sonnengebräunten Gesicht wirkte sie wie aus Holz, wie eine Statue oder ein Kriegsschiff, oder irgendetwas anderes, dem man sich ehrfürchtig zu nähern hatte. »Ihr ... Soryaza?« fragte sie, und ihr war klar, dass ihr Hierosolinisch eine Katastrophe war.
»Ja, die bin ich, und ich bin außerdem eine vielbeschäftigte Frau. Was willst du?«
»Ihr ... von Xis? Sprechen Xis?«
»Bei allen Göttern«, brummte die Frau und wechselte ins Xixische. »Ja, ich spreche die Sprache, obwohl ich schon seit Jahren aus diesem verfluchten Land weg bin. Was willst du?«
Qinnitan holte tief Luft. Eine Hürde hatte sie schon mal genommen. »Bitte verzeiht, dass ich Euch störe, Herrin Soryaza. Ich weiß, dass Ihr eine wichtige Person seid, mit all dem hier ...« Sie deutete mit einer Armbewegung auf den Ozean von Waschzubern.
So leicht ließ sich Soryaza nicht umgarnen. »Ja, und?«
»Ich ... ich habe Vater und Mutter verloren.« Qinnitan hatte sich ihre Geschichte sorgfältig zurechtgelegt. »Als meine Mutter letzten Sommer am Keuchfieber starb, beschloss mein Vater, meinen Bruder und mich nach Hierosol zurückzubringen. Aber auf dem Schiff erkrankte auch er am Fieber. Ich habe ihn noch mehrere Monate gepflegt, bevor er starb.« Sie senkte den Blick. »Ich weiß nicht wohin. Ich habe keine
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