Das Spiel
jemals getan hast. Der Heilige Bienentempel ist ein Paradies gegen die Palastwäscherei.«
»Und mein ... Bruder?«
Soryaza bedachte den Jungen mit einem säuerlichen Blick. Er richtete sich kerzengerade auf, um auch irgendwie brauchbar zu wirken, obwohl er über die Entfernung unmöglich gehört haben konnte, was gesprochen wurde. »Ist er reinlich? Ist er gut erzogen, oder hat man ihn einfach sich selbst überlassen wie die meisten schwachsinnigen Kinder?«
»Er ist nicht schwachsinnig, Herrin. Er kann nur nicht sprechen. Er ist sogar sehr schlau und wird fleißig arbeiten.«
»Hmmmpf. Wir werden sehen. Ich denke, ich kann ein paar Arbeiten für ein geschicktes Kind auftreiben.«
»Ihr seid sehr gütig, Herrin Soryaza. Habt vielen Dank, Ihr werdet es nicht bereuen ...«
»Ich habe schon genug zu bereuen«, knurrte die Wäscherin. »Und noch mehr, wenn du nicht aufhörst zu plappern. Schließ dich Yazi an, das ist die mit den roten Armen. Sie stammt auch aus dem Süden. Sie wird dir erklären, was zu tun ist.« Sie wandte sich zum Gehen, blieb aber noch einmal stehen und musterte Qinnitan beunruhigend scharf. »Du sagst mir nicht alles. Aber an der Art, wie du sprichst, merke ich immerhin, dass das mit dem Bienentempel stimmt. Keine Tochter aus armem Hause wird dort aufgenommen, und kein armes Mädchen spricht wie du. Allerdings wirst du besser Hierosolinisch lernen müssen. Mit Xixisch wirst du hier nicht durchkommen — man würde dir den Schädel einschlagen. Der Autarch ist hier nicht besonders beliebt.«
»Das werde ich, Herrin!«
»Wie heißt du?«
Qinnitan öffnete den Mund, fand aber keine Antwort. Bei dem ganzen Gerede über den Bienentempel hatte sie den falschen Namen, den sie sich ausgesucht hatte, einfach vergessen: Er war weg, spurlos verschwunden. Einen Atemzug lang, der sich ewig zu dehnen schien, ging sie die Frauen durch, die sie kannte, Ashretan und Cheryazi, ihre Schwestern, Duny, ihre Freundin, sogar Arimone, die Hauptfrau des Autarchen, bis sie schließlich bei einem Mädchen landete, das den Bienentempel tatsächlich verlassen hatte, eine ältere Novizin, die Qinnitan bewundert und beneidet hatte.
»Nira!« rief sie. »Nira. Ich heiße Nira.«
»Dein Name muss ›Hohlkopf‹ sein, Kind, wenn du so lange brauchst, um dich dran zu erinnern. Jetzt geh und lass dich nicht dabei erwischen, wie du hier mit offenem Mund herumstehst. Hier hat jede zu tun!«
»Ich danke Euch nochmals, Herrin. Ihr habt ...«
Aber Soryaza hatte ihr schon den Rücken gekehrt und war auf dem Weg durch die dampfende Waschküche, um sich dem nächsten Streich zu stellen, den ihr das rüde Schicksal spielen würde.
Axamis Dorza spürte wohl, dass etwas nicht in Ordnung war, als niemand seinen Gruß erwiderte; für einen so bulligen Mann schob er sich erstaunlich vorsichtig zur Tür herein. Der Kapitän schien zu ahnen, welch kleine Pantomime Vo für ihn vorbereitet hatte, doch obwohl er offensichtlich ein kühl denkender und nicht zu unterschätzender Bursche war, vermochte er doch nicht zu verhindern, dass sich seine Augen weiteten, als er das Blut auf dem Boden bemerkte. Als Vo seinerseits Dorzas muskulöse Arme sah, nahm er die Klinge ein paar Fingerbreit von der Kehle des Jungen. Er wollte keine unliebsamen Überraschungen provozieren. Wenn er den Jungen töten musste, würde er sein Druckmittel verlieren, und wenn er Kapitän Dorza töten musste, ehe er ihn zum Reden gebracht hatte, war die mühsame Arbeit eines ganzen Tages vergeudet.
»Was macht Ihr da?« stieß Axamis Dorza heiser hervor. »Was wollt Ihr?«
»Nur ein paar Worte wechseln. Eine freundliche Unterhaltung.« Vo setzte die scharfe Klinge vorsichtig wieder an die zuckende Kehle des Jungen. »Also lasst uns ruhig bleiben. Wenn Ihr mir meine Fragen beantwortet, geschieht dem Jungen nichts. Euer Sohn?«
»Nikos ...« Dorza machte eine matte, beschwichtigende Handbewegung. »Von ihm könnt Ihr doch nichts wollen. Lasst ihn los.«
»Das sehe ich anders. Ich brauche ihn hier bei mir, während Ihr meine Fragen beantwortet.«
Der Blick des Kapitäns huschte in sämtliche Winkel des Raums, auf der Suche nach weiteren Eindringlingen. Daikonas Vo hörte es förmlich im Kopf des Mannes arbeiten:
Ein Verbrecher, der so selbstsicher ist, muss Komplizen haben.
Aber da waren natürlich keine Komplizen, weil Vo lieber allein arbeitete. Das zwang allerdings auch zur Vorsicht. Dorza war einen Kopf größer als er. Wenn Vo dem Jungen etwas antat, würde sich
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