Das Spiel
der Kapitän wie ein wütender Bär auf ihn stürzen.
Vo wollte auch gleich dem nächsten Problem zuvorkommen — schließlich galt es, den Mann so lange wie möglich ruhig zu halten. Jeden Moment konnte er den Leichnam am Boden hinter der Tür bemerken. Es war vielleicht besser, es ihm einfach zu sagen.
»Ich habe schlechte Nachrichten für Euch, Kapitän Dorza. Eure Frau ist tot. Sie hat mich überrascht. Ich wusste nicht, dass sie im Haus war. Sie war eine mutige Frau, das muss man ihr lassen. Hat versucht, mich mit diesem Prügel zu erschlagen — einem Belegnagel, so nennt ihr Seeleute das wohl? Ich musste sie töten. Tut mir leid, ich wollte es nicht, aber es ist nun mal geschehen und ... ganz ruhig, Kapitän ... wenn Ihr jetzt Eurem Zorn nachgebt, wird Euer Junge auch noch sterben.«
»Tedora!« Dorza sah sich panisch um und entdeckte schließlich das blutbesudelte Bündel hinter der Tür. »Du ... du Dämon!« schrie er Vo an. »Nushash soll dich verbrennen, ich schicke dich zur Hölle!« Seine tränenfeuchten Augen weiteten sich wieder. »Die anderen Kinder ...!«
»Sind unterm Bett. Wohlbehalten.« Daikonas Vo erhöhte sachte den Druck auf die Klinge, und der Junge wimmerte vor Angst. »Jetzt redet, oder der hier stirbt auch noch. Ihr habt mit Eurem Schiff eine junge Frau befördert. Es wird behauptet, sie sei die Geliebte des Gardehauptmanns Jeddin gewesen. Wo ist sie jetzt?«
»Oh, ich werde dich ...«
»Wo ist sie?«
Er drückte das Kinn des Jungen so brutal nach oben, dass es aussah, als würde die flaumige Haut über der Kehle auch ohne den Einsatz der Klinge bersten.
»Verflucht, das weiß ich nicht! Sie hat eine Weile bei uns gewohnt, aber ich habe sie aus dem Haus geworfen, als ich herausfand, wer sie war!«
»Lügner.« Er ritzte den Hals des Jungen gerade so tief, dass ein Blutstropfen hervorquoll, bebte und dann in den Hemdkragen hinablief.
»Es ist wahr! Sie hatte einen Brief von Jeddin bei sich, in dem er mir auftrug, sie nach Hierosol zu bringen. Dort wollte er uns treffen. Ich wusste nicht, dass sie eine Ehefrau des Autarchen war!«
»Und Ihr hattet auch keine Ahnung, dass Jeddin ein Verräter war? Ihr wisst herzlich wenig für einen so erfahrenen Kapitän.«
»Ich wusste von nichts, bis wir hier ankamen. Sie hat es mir verschwiegen. Sie kam einfach nur und überbrachte mir die Anweisung, dass wir noch am selben Abend in See stechen sollten — dem Abend, an dem ... an dem Jeddin verhaftet wurde.«
»Eure Antwort gefällt mir nicht ... ich glaube, ich steche dem Jungen ein Auge aus, und dann versuchen wir es noch einmal.«
»Bei allen Göttern, ich schwöre, ich habe Euch alles gesagt, was ich weiß! Es ist erst ein paar Tage her, dass ich sie hinausgeworfen habe — sie ist sicher noch in der Stadt! Ihr könnt sie doch suchen!«
»Hat sie hier jemanden gekannt?«
»Das glaube ich nicht. Darum hat sie ja bei mir gewohnt. Sie und das Kind wussten nicht wohin.«
»Das Kind? Sie hatte ein Kind?«
»Nicht ihr eigenes, dafür war es schon zu groß. Ein stummer kleiner Junge, ihr Diener, nehme ich an.« Der Kapitän fuhr sich mit den dicken Fingern durch den Bart. Obwohl es schon Abend war und recht kühl, war sein Gesicht schweißüberströmt. »Das ist alles, was ich weiß. Selbst wenn Ihr meinen Sohn töten würdet, könnte ich Euch nicht mehr sagen, ich schwör's beim Blute des Nushash! Beim Haupt des Autarchen!«
»Ihr schwört bei dem Herrscher, den Ihr verraten habt? Das ist kein besonders passender Schwur.« Daikonas Vo führte die Klinge probeweise etwas höher empor und ließ die Spitze einen Fingerbreit vor dem Auge des Jungen verharren, aber der Kapitän schluchzte nur. Anscheinend hatte er wirklich nichts mehr zu sagen.
»Nun gut ...«, sagte Vo und schleuderte den Dolch mit einer knappen Bewegung aus dem Handgelenk, die nur durch jahrelange Übung zu erlernen war, quer durch den Raum und genau in Dorzas Kehle.
Ein hübsches Kunststück,
dachte Vo,
aber misslich, wenn man nicht trifft.
Der Kapitän griff sich mit überraschter Miene an den Hals. Dann brach er röchelnd in die Knie.
»Es musste sein«, erklärte Vo trocken. »Seid froh, dass ich Euch einen schnellen Tod gewähre, Kapitän. Ihr wärt ungern den Spezialisten des Autarchen in die Hände gefallen.«
Plötzlich schrie der halbwüchsige Junge wie ein kleines Kind, schlug um sich und versuchte, sich Daikonas Vo zu entwinden. Vo verfluchte seine Unaufmerksamkeit — er hatte beim Werfen des Messers den
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