Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
»Welches Schwert wirst du nehmen?«
»Das hier.«
»Das mit dem kaputten Griff?«
Neller schaute nach unten, runzelte die Stirn, warf die Waffe dann in die Büsche und zog eine andere. »Dieses hier. Es ist eins von den Letherii, hat an der Wand von der Hütte gehangen …«
»Ich weiß. Ich hab’s dir gegeben.«
»Du hast es mir gegeben, weil es immer dann, wenn ich etwas mit ihm treffe, heult wie eine junge Frau.«
»Das stimmt, Neller, und deswegen habe ich dich auch gefragt, welches Schwert du nehmen wirst.«
»Jetzt weißt du’s.«
»Jetzt weiß ich’s, und deshalb stopfe ich mir jetzt Moos in die Ohren.«
»Hab gedacht, das hättest du längst gemacht.«
»Ich stopfe noch mehr rein. Siehst du?«
Korporal Pravalak Rim war ein geplagter Mann. Als Kind armer Bauern in einer der nördlichen Provinzen von Gris geboren, hatte er den größten Teil seines Lebens nichts von der Welt gesehen - bis zu dem Tag, da ein Rekrutierungsoffizier der Seesoldaten durch das nahegelegene Dorf gekommen war. Zufällig war Pravalak an eben jenem Tag dort gewesen, zusammen mit seinen älteren Brüdern, die auf dem Weg zur Schenke alle höhnisch über den Offizier gelacht hatten. Aber Pravalak selbst, nun, der hatte nur ungläubig gestarrt. Es war das erste Mal gewesen, dass er jemanden aus Dal Hon zu Gesicht bekommen hatte. Sie war groß und rund gewesen, und obwohl sie Jahrzehnte älter war als er und ihr Haar grau geworden war, konnte er sehen, wie schön sie einst gewesen war; und in seinen Augen war sie es tatsächlich noch immer.
Was für eine dunkle Haut. Was für dunkle Augen, und oh, sie bemerkte ihn und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, ehe sie ihn an der Hand nahm und in ein Hinterzimmer des örtlichen Gefängnisses führte und dann ihr Rekrutierungsgespäch führte, während sie auf ihm saß und voller überschwänglicher Freude hin und her schaukelte, bis er ins malazanische Militär hineinexplodierte.
Seine Brüder hatten es anfangs gar nicht glauben wollen und waren vollkommen kopflos, weil sie nicht wussten, wie sie ihrer Mutter und ihrem Vater die Tatsache erklären sollten, dass ihr jüngster Sohn hingegangen war und sich beim Militär eingeschrieben hatte und dabei auch noch seine Jungfräulichkeit an eine fünfzigjährige Dämonin verloren hatte - und dass er tatsächlich nicht mehr nach Hause kommen würde. Aber das war ihr Problem, und Pravalak war im Rekrutierungswagen davongerollt, eine Hand fest zwischen ihre üppigen Beine geschmiegt, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
Seine erste große Liebe hatte genauso lange gedauert wie die Fahrt zur nächsten Stadt, wo er einem Zug aus etwa fünfzig anderen grisianischen Bauernjungen und -mädchen zugeteilt wurde und wenig später auf einer Imperialen Straße nach Unta marschierte, von wo aus es nach Malaz weiterging, zur Ausbildung als Seesoldat. Aber sein Herz war nicht so sehr gebrochen, wie er sich das vorgestellt hatte, denn in den malazanischen Truppen gab es einige Zeit lang unzählige dal-honesische Rekruten - irgendeine geheimnisvolle Bevölkerungsexplosion oder politische Umwälzung hatte einen Exodus aus den Savannen und Dschungeln von Dal Hon in Gang gesetzt. Und ihm war schon bald klar geworden, dass seine Begeisterung für mitternachtsdunkle Haut und mitternachtsdunkle Augen ihn keineswegs zu jämmerlicher Sehnsucht und ewiger Einsamkeit verdammte.
Bis er zum ersten Mal Kusswo begegnet war, die für seine Bemühungen nur ein Lachen übrig gehabt hatte - und das, obwohl sie bereits damals überaus geschliffen und glatt gewesen waren. Diese Zurückweisung war es, die ihm für alle Zeit das Herz stahl.
Doch was ihn jetzt plagte, war - vielleicht überraschenderweise - nicht all diese unerwiderte Bewunderung. Es war das, was er gesehen hatte - oder sich vielleicht auch nur eingebildet hatte, in jener dunklen Nacht auf dem Fluss, nach dem grellen Blitz der Explosion und dem Getöse, das das Wasser aufgewühlt hatte … dass sich eine schwarzhäutige Hand aus den kabbeligen Wellen gestreckt hatte, dass die dahinwirbelnde Strömung, die nach dem Tumult zurückgekehrt war, sich um das elegante Handgelenk herum geteilt hatte - und dann war die Hand fortgeglitten, oder er hatte sie in der körnigen Dunkelheit trotz all seiner Anstrengungen, seiner verzweifelten, beklommenen Suche einfach nur aus den Augen verloren - die Hand, die Haut, die dunkle, dunkle Haut, die ihn in jener Nacht so besiegt hatte …
Oh, er wollte sterben,
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