Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
also ein Geschenk, das umso kostbarer war, da es so vollkommen unerwartet aufgetaucht war.
    Als sie mit essen fertig waren, schloss der Anbruch der Nacht die Welt jenseits des Feuerscheins aus. Das Rauschen des Flusses war eine eigene Stimme, eine Präsenz. Wasser floss ungeachtet dessen, dass die Sonne höher stieg und tiefer sank, der Mond verschleiert wurde und die Sterne langsam über den Himmel wanderten. Das Geräusch kam als Lied ohne Worte zu ihnen, und alle Anstrengungen, seine Bedeutung zu erfassen, waren aussichtslos, denn ein Geräusch konnte man genauso wenig festhalten wie das Wasser. Das Fließen war unablässig und unermesslich, und genauso wie Reglosigkeit in Wirklichkeit nicht existierte, genauso wenig gab es echte, absolute Stille.
    »Warum bist du hier?«, fragte Endest Silann nach einiger Zeit.
    »Ich wünschte, ich könnte dir antworten, alter Freund, und Brand weiß, der Wunsch, dir die Last abzunehmen, ist beinahe überwältigend.«
    »Du gehst davon aus, dass ich nicht weiß, was uns erwartet, Caladan.«
    »Nein, das tue ich nicht – schließlich hast du eine Wallfahrt hierher, zu diesem Fluss gemacht –, und dieser Ort hier hat eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf die Tiste Andii. Doch du fragst mich, warum ich hier bin, und das bedeutet, dass dein Wissen … lückenhaft sein muss. Ich kann dir nicht mehr sagen, Endest Silann. Ich kann dir nicht helfen.«
    Der alte Tiste Andii schaute weg, zur Seite, ins Dunkel, wo der Fluss der Nacht ein Lied sang. Dann waren also auch andere hierhergekommen. Irgendein instinktives Verlangen zog sie, ja, zum Geist von Dorssan Ryl. Er fragte sich, ob sie die gleiche Enttäuschung empfunden hatten wie er, als sie diese schwarzen Wasser (die aber nicht schwarz genug waren) gesehen hatten. Es ist nicht das Gleiche. Nichts ist jemals das Gleiche, und das fängt bei uns selbst an. »Ich glaube nicht sonderlich an Vergebung«, sagte er.
    »Und was ist mit Wiederherstellung?«
    Die Frage verblüffte ihn, nahm ihm den Atem. Der Fluss rauschte mit dem Geräusch von zehntausend Stimmen, und diese Schreie erfüllten seinen Kopf, breiteten sich in seiner Brust aus und griffen nach seinem Herz. Kälte sammelte sich in seinen Eingeweiden. Beim Abgrund … was für eine … Zielsetzung. Er spürte eisige Tränen über seine vom Feuer erwärmten Wangen rinnen. »Ich werde alles tun, was ich kann.«
    »Das weiß er«, sagte Caladan Bruth mit so viel Mitgefühl, dass Endest Silann beinahe aufgeschluchzt hätte. »Du glaubst das jetzt vielleicht nicht«, fuhr der große Krieger fort, »aber du wirst diese Wallfahrt als lohnend empfinden. Eine Erinnerung, die dir dann Kraft gibt, wenn du sie am meisten brauchst.«
    Nein, er glaubte das jetzt tatsächlich nicht, und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass er es jemals glauben würde. Doch selbst wenn … diese Zielsetzung. So beängstigend, so atemberaubend.
    Caladan Bruth schenkte den Tee ein und gab Endest einen Becher in die Hand. Das Zinn ließ Hitze durch seine kalten Finger strömen. Der Kriegsherr stand jetzt neben ihm.
    »Lausche dem Fluss, Endest Silann. Solch ein friedliches Geräusch …«
    Doch im Kopf des alten Tiste Andii war das Geräusch ein jammernder Chor, eine überwältigende Flut aus Verlust und Verzweiflung. Der Geist von Dorssan Ryl? Nein, dies hier war die Stelle, wo jener seit langem tote Fluss sich entleerte, wo er den mitternächtlichen Wahnsinn seiner Geschichte einem reißenden Strom zuführte, um mit tausend anderen Strömungen herumzuwirbeln. Unendliche Variationen des gleichen bitteren Geschmacks.
    Und als er in die Flammen starrte, sah er einmal mehr die Stadt in einer Feuersbrunst sterben. Kharkanas unter dem tobenden Himmel. Blind machende Asche wie Sand in den Augen, Rauch wie Gift in der Lunge. Mutter Dunkel in ihrem Zorn, ihre Kinder leugnend, sich abwendend, während sie starben und starben. Und starben.
    Lausche dem Fluss. Erinnere dich an die Stimmen.
    Warte, wie es hier der Kriegsherr tut. Warte, um zu sehen, was kommt.
    Auch wenn das Feuer schon lange erloschen war, hing der Geruch des Rauchs noch immer in der Luft. Sie ritten auf die verbrannte Erde und das geschwärzte Wrack zu. In sich zusammengesackt ragte die gewaltige Kutsche immer noch wie ein bösartiger, rauchender Scheiterhaufen im Mittelpunkt besudelter Erde auf. Überall lagen Abfälle herum, die die Auflösung der Gemeinschaft kennzeichneten. Doch obwohl alles nach einem Gemetzel aussah, gab es keine Leichen. Spuren

Weitere Kostenlose Bücher