Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
Dev.«
»Darujhistan«, sagte Karsa Orlong. »Ich habe von dieser Stadt gehört. Sie hat dem malazanischen Imperium getrotzt und ist daher immer noch frei. Das will ich selbst sehen.«
»Na schön«, schnappte Samar Dev. »Dann lasst uns weiterreiten, zum nächsten Leichenhaufen – und wenn du dabei bist, Karsa Orlong, sollte das nicht lange dauern –, und dann reiten wir zum nächsten und dann immer so weiter, quer über den ganzen Kontinent. Nach Darujhistan! Wo auch immer das sein mag, im Namen des Vermummten.«
»Ich werde mir die Stadt ansehen«, sagte Karsa noch einmal. »Aber ich werde nicht lange bleiben.« Er blickte sie mit plötzlich wilden Augen an. »Ich kehre nach Hause zurück, Hexe.«
»Um deine Armee zu schmieden«, sagte sie nickend; plötzlich verspürte sie ein Zwicken in den Eingewieden.
»Und dann wird die Welt Zeuge werden.«
»Ja.«
Nach einem Augenblick setzten die drei sich in Bewegung, Karsa Orlong zu ihrer Linken, Reisender zu ihrer Rechten; keiner von beiden sagte etwas, doch sie waren selbst wie Geschichtsbücher, Bände der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Zwischen ihnen fühlte sie sich wie ein zerknülltes Blatt Pergament, ihr Leben ein unbedeutendes Gekritzel.
Hoch, hoch über ihnen richtete ein Großer Rabe übernatürliche Augen auf die drei Gestalten weit unten und stieß einen durchdringenden Schrei aus, dann neigte er die breiten, schwarzen Schwingen, raste in eine Strömung kalter Luft und flog eilig nach Osten.
Sie dachte, sie wäre vielleicht tot. Jeder Schritt, den sie machte, war mühelos, war einzig und allein eine Umsetzung ihres Willens; sonst war da nichts – keine Gewichtsverlagerung, kein Ausschwingen der Beine, kein Beugen der Knie. Der Wille trug sie dorthin, wohin sie gehen wollte, zu jenem Ort des formlosen Lichts, wo der weiße Sand blendend hell unter ihr leuchtete, genau so weit entfernt, als würde sie stehen. Doch wenn sie nach unten schaute, sah sie nichts von ihrem eigenen Körper. Keine Beine, keinen Rumpf, und nirgendwo um sie herum konnte sie ihren Schatten sehen.
Irgendwo weiter vorn leierten Stimmen, aber sie war noch nicht bereit für sie, und deshalb blieb sie, wo sie war, umgeben von Wärme und Licht.
Wie Fackeln, deren Flackern durch dichten Nebel drang, näherte sich langsam eine Art pulsierendes Licht, das nicht mit den leiernden Stimmen in Verbindung zu stehen schien, und jetzt sah sie Gestalten in einer Reihe herankommen. Frauen mit gesenkten Köpfen, vor deren Gesichtern lange Haare hingen, alle nackt, alle hochschwanger. Über jeder einzelnen von ihnen schwebte ein flackerndes Licht – faustgroße Sonnen, in denen Flammen in allen Farben des Regenbogens zuckten und wirbelten.
Salind wollte zurückweichen. Sie war schließlich ein Kind des Toten Samens. Geboren aus einem Leib des Wahnsinns. Sie hatte diesen Frauen nichts zu geben. Sie war keine Priesterin mehr, konnte keinem Kind mehr, das darauf wartete, in die Welt zu stolpern, einen Segen erteilen, nicht den eines Gott und schon gar nicht ihren eigenen.
Doch diese brodelnden Flammenkugeln – sie wusste, dass es die Seelen der Ungeborenen waren, der Noch-nicht-Geborenen, und diese Mütter kamen auf sie zugeschritten, mit einer Absicht, mit einem Begehren.
Ich kann euch nichts geben! Geht weg!
Doch sie kamen immer noch näher, hoben die Gesichter, offenbarten dunkle, leere Augen, und schienen sie nicht zu sehen, als sie – eine nach der anderen – durch Salind hindurchgingen .
Bei den Göttern, ein paar dieser Frauen waren noch nicht einmal menschlich.
Und während diese Mütter eine nach der anderen durch sie hindurchgingen, spürte sie bei jeder einzelnen das Leben des Kindes, das sie in sich trug. Sie sah die Geburt, sah das kleine Geschöpf mit den merkwürdig weisen Augen, die jedes Neugeborene zu besitzen schien (vielleicht mit Ausnahme ihrer eigenen). Und dann rasten die Jahre vorbei, das Kind wuchs, Gesichter nahmen jene Gestalt an, die sie bis ins hohe Alter tragen würden …
Aber nicht alle. Als Mutter um Mutter durch sie hindurchtrat, blitzten Zukünfte hell auf, und manche starben in der Tat rasch. Belastete, flackernde Funken, die schwächer wurden, verloschen, und dann kam die Dunkelheit heran. Bei diesen Kindern schrie sie voller Qual auf, obwohl sie sehr wohl verstand, dass Seelen unzählige Reisen unternahmen, von denen die Sterblichen immer nur eine kannten – so viele, in so vielen Wandlungen –, und dass nur andere den Verlust
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