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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Che’Malle. Weiter westlich erhoben sich längere Hügelgräber, die letzte Heimat der gefallenen Bürger und Soldaten der Stadt.
    Domänenser schritt im Zwielicht die Straße entlang. Ein Pfad, der zwischen Geistern hindurchführte – viel zu vielen, um sie auch nur erfassen zu können –, aber er glaubte, dass er die Echos ihrer Todesschreie, ihre schmerzerfüllten Stimmen, ihr verzweifeltes Rufen nach Müttern oder geliebten Menschen hören konnte. Wenn er diesen Ort erst einmal hinter sich gelassen hatte – wer war dann noch da, um diese Echos zu hören? Niemand, und diese Tatsache traf ihn am härtesten. Sie würden sich nur noch miteinander verflechten können und schließlich unbeachtet ins vom Tau flach gedrückte Gras fallen.
    Er trat hinaus ins Morgenlicht, als würde er durch einen Vorhang hindurchgehen, und plötzlich strich eine warme Brise über ihn hinweg, während er auf dem ansteigenden Weg weiter zum sich weit ausbreitenden Lager ging. Hierfür trug er seine alte Uniform, eine Art von Buße, eine Art von Selbstgeißelung. Denn er verspürte das Bedürfnis, seine Schuld offen, fast schamlos zur Schau zu stellen, sich zu jemandem zu machen, der unverteidigt und nicht zu verteidigen war. Zumindest sah er seine tägliche Wallfahrt zum Großen Grabhügel so, auch wenn er nur allzu gut wusste, dass man sich von manchen Dingen niemals reinwaschen konnte und Erlösung ein Traum der Verblendeten war.
    Von den Lagern zu beiden Seiten der Straße waren unzählige Augen auf ihn gerichtet, während er weiter auf den gewaltigen Haufen aus Schätzen zuging – ein Reichtum von solchen Ausmaßen, dass er nur einem Toten gehören konnte, der keine begehrlichen Blicke mehr auf seinen Schatz werfen konnte und dessen enormes Gewicht nicht Tag und Nacht spüren musste, der nicht unter dessen schrecklichem Fluch leiden würde. Er wurde also beobachtet, und die Blicke, die ihm folgten, wurden zweifellos härter, kündeten von Hass und Verachtung, vielleicht sogar von Mordgelüsten. Es spielte keine Rolle. Er verstand solche Gefühle, verstand die Lauterkeit solcher Wünsche.
    Seine Rüstung knirschte, und die Kettenglieder rasselten, wenn der Saum seines Kettenhemds bei jedem Schritt, den er auf sein Ziel zumachte, gegen seine Oberschenkel stieß.
    Der größte Teil des Reichtums war mittlerweile unter banalerem Krimskams begraben, doch gerade diese kümmerlichen Opfergaben erschienen Domänenser in ihrer Bedeutung höchst wirksam. Schließlich war ihr Wert im Vergleich deutlich höher. Opfer mussten gegen den Schmerz aufgewogen werden, den sie bedeuteten – das allein war das echte Maß, um den Wert einer Tugend einschätzen zu können.
    Er sah jetzt das Sonnenlicht auf von Tautropfen benetzten Kupfermünzen glitzern, sah vom Meer glatt geschliffene Steine in einem Muster aus gedämpften Farben matt schimmern. Tonscherben als Überreste glasierter Keramiktöpfe aus irgendeinem vergangenen goldenen Zeitalter hoher Kultur. Federn, die inzwischen schmuddelig waren, geknotete Lederriemen, von denen Fetische baumelten, Kürbisrasseln, mit denen man Neugeborene und kranke Kinder segnete. Und außerdem, hier und da, die sauberen Schädel von Menschen, die kürzlich verstorben waren – ein Unterkult, wie er erfahren hatte, der sich auf die T’lan Imass bezog, die vor dem Erlöser niedergekniet waren und sich so zu seinen unsterblichen Dienern gemacht hatten. Domänenser wusste, dass die Wahrheit tiefgründiger war – atemberaubender – und dass zu dienen kein Schwur war, den ein T’lan Imass ablegen konnte – oder zumindest nicht jemand anderem gegenüber als der Frau, die unter dem Namen Silberfuchs bekannt war. Nein, sie waren aus Dankbarkeit niedergekniet.
    Die Vorstellung sorgte immer noch dafür, dass ihn ein kalter Schauer überlief und in seinem Herzen Verwunderung wie ein überrascht ausgestoßener Atemzug erwachte.
    Dennoch wirkten diese starrenden Schädel fast profan.
    Er trat auf den leicht zerfurchten Weg und ging näher heran. Weiter vorn legten andere Pilger ihre Opfergaben ab, drehten sich dann um und gingen zurück, machten einen Bogen um ihn herum und warfen ihm verstohlene Blicke zu. Domänenser hörte, dass hinter ihm noch mehr waren, ein sanftes Säuseln aus geflüsterten Gebeten und leisen Gesängen, das wie eine sanfte Woge zu sein schien, die ihn vorwärtstrug.
    Als er den ausgefransten, mit allem Möglichen übersäten Rand des Grabhügels erreichte, bewegte er sich ein Stückchen zur Seite

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