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Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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muffige Höhle einer Schenke voller blasser, elender Gesichter – ja, er wollte zurück in seine eigene Welt. Wo ihn niemand um etwas bat oder etwas von ihm forderte; in der man nichts weiter von ihm erwartete, als dass er an einem Tisch saß, die Spielsteine vor sich hatte und sich am Zucken und Tanzen eines sinnlosen Wettstreits beteiligte.
    Weiter zur Straße, in den Wirbel verlorener Stimmen von zahllosen nutzlosen Geistern. Seine Stiefel klapperten auf den Steinen.
    Diese verdammten Narren!
    Unten am Dammweg, der den Wallgraben der Zitadelle überbrückte, leckte Blut aus den Leichen, die überall verteilt lagen, und am Himmel im Norden geschah etwas Schreckliches. Wie in einem verrückt gewordenen Regenbogen breiteten sich grelle Schlitze wellenförmig aus und verschlangen die Dunkelheit. War es Schmerz, der die Luft selbst erstickte? War es etwas anderes, das sich zum Leben entfaltete und dabei das Universum zerschmetterte?
    Endest Silann, einfacher Akolyth im Tempel von Mutter Dunkel, torkelte betrunken zwischen den Leichen hindurch auf das Äußere Tor zu, wobei er immer wieder in Pfützen aus geronnenem Blut ausrutschte. Durch den Spitzbogen des Tors konnte er die Stadt sehen, deren Dächer wie die Zahnräder zahlloser Mechanismen wirkten – Zahnräder, die in den Himmel, in die ganze Schöpfung einrasten konnten. Solcherart war Kharkanas, die Erstgeborene aller Städte. Aber der Himmel hatte sich verändert. Die perfekte Maschinerie des Daseins war zerbrochen – schau dir nur den Himmel an!
    Die Stadt bebte, die Ränder der Dächer waren jetzt schartig. Ein Wind hatte zu heulen begonnen, die Stimme des vielfarbigen Lichtsturms, der nun um sich schlug und in donnerndem Feuer aufloderte.
    Verlassen. Wir sind verlassen!
    Er erreichte das Tor, ließ sich gegen eine der Säulen fallen und rieb sich verzweifelt die Augen, aus denen Tränen strömten. Die Hohepriesterin, diese grausame Poetin, schrie im Hauptschiff des Tempels; sie schrie wie eine Frau, die vergewaltigt wurde. Andere – lauter Frauen – wanden sich auf dem Marmorfußboden, verkrampften sich im Gleichklang, ein im Liegen aufgeführter Tanz makabrer Wollust. Die Priester und die männlichen Akolythen hatten versucht, die zuckenden Glieder ruhig zu halten, den schlimmen Schreien, die aus gequälten Mündern brachen, mit leeren Versicherungen abzuhelfen, aber dann begannen sie einer nach dem anderen zurückzuschrecken, als die Fliesen unter den Frauen feucht vom sogenannten Nektar der Ekstase wurden – und nein, kein Mann konnte jetzt noch etwas anderes vorgeben, musste jetzt sehen, was war, musste die Wahrheit erkennen.
    Sie flohen. Verrückt vor Entsetzen, ja – aber davongetrieben wurden sie von etwas anderem, und war das nicht Neid?
    Ein Bürgerkrieg brach aus, so tödlich wie der Sturm am Himmel. Familien wurden auseinandergerissen, von der Zitadelle selbst bis hinunter ins ärmlichste Heim einfacher Bürger. Kharkanas wurde mit dem Blut der Andii bemalt, und es gab keinen Ort, an den man hätte fliehen können.
    Endest Silann ging durch das Tor, und dann, als die Verzweiflung alles Leben in ihm erstickte, sah er ihn näher kommen. Von der Stadt weiter unten. Die Unterarme von schwarzen glänzenden Schuppen umhüllt, die nackte Brust zu einer natürlichen Rüstung gemacht. Tiams Blut in seinen Adern war in Aufruhr, brannte heiß und lebendig durch die Verschmelzung chaotischer Zauberei, und in seinen Augen glühte ein grimmiger Wille.
    Endest fiel vor Anomander auf die Knie. »Lord! Die Welt geht unter!«
    »Steh auf, Priester«, antwortete er. »Die Welt geht nicht unter. Sie verändert sich nur, nichts weiter. Ich brauche dich. Komm mit.«
    Mit diesen Worten schritt er an ihm vorbei, und Endest stellte fest, dass er wieder auf den Beinen stand, als Lord Anomanders Wille sich wie ein stählerner Handschuh um sein Herz legte, ihn herumdrehte und hinter dem großen Krieger herzog.
    Er wischte sich die Augen. »Lord, wohin gehen wir?«
    »Zum Tempel.«
    »Das können wir nicht! Die Frauen – sie sind verrückt geworden! Sie …«
    »Ich weiß, was sie bedrängt, Priester.«
    »Die Hohepriesterin …«
    »Interessiert mich nicht.« Anomander blieb stehen, drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Sag mir, wie du heißt.«
    »Endest Silann, Akolyth der Dritten Stufe. Lord … bitte …«
    Doch der Krieger sprach weiter, brachte Endest mit einer Bewegung seiner schuppigen, krallenbewehrten Hand zum Schweigen. »Das Verbrechen dieses Tages,

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