Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
– weg von der Stelle, an der sich die meisten näherten –, kniete vor dem Schrein nieder, senkte den Kopf und schloss die Augen.
    Er hörte, wie jemand sich neben ihm niederließ, hörte die leisen Atemzüge, aber sonst nichts.
    Domänenser betete still. Das gleiche Gebet, jeden Tag, jedes Mal, immer wieder das gleiche Gebet.
    Erlöser. Ich begehre nicht deinen Segen. Ich werde niemals Erlösung erlangen, und ich sollte es auch nicht, weder durch deine Berührung noch durch die Berührung von irgendjemandem sonst. Erlöser, ich bringe kein Geschenk, das ich dir auf deinen Grabhügel legen könnte. Ich bringe dir nichts als mich selbst. Deine Anhänger und die Pilger werden nichts von deiner Einsamkeit hören. Sie statten dich mit einer Rüstung gegen alles aus, was menschlich ist, denn dadurch machen sie dich zu einem Gott. Aber du warst einst eine sterbliche Seele. Und deshalb komme ich hierher, und mein einziges Geschenk an dich ist meine Gesellschaft. Es ist belanglos, das weiß ich, aber es ist alles, was ich habe, und alles, was ich dir anbieten kann.
    Erlöser, segne diese Pilger rings um mich.
    Gewähre ihnen Frieden in ihrer Not.
    Er öffnete die Augen und stand langsam wieder auf.
    Neben ihm ertönte die Stimme einer Frau. »Umnachteter.« Er zuckte zusammen, aber er drehte sich nicht zu ihr um. »So einen Titel trage ich nicht«, sagte er.
    In ihrer Antwort schwang ein Hauch Erheiterung mit. »Dann also Domänenser. Wir sprechen nachts oft über dich, an allen Feuern.«
    »Ich fliehe nicht vor eurer Gehässigkeit, und sollte sie mich eines Tages mein Leben kosten, so sei es denn.«
    Sie schien überrascht Luft zu holen, und als sie antwortete, war jede Spur von Erheiterung aus ihrer Stimme verschwunden. »Ja, wir sprechen von dir, aber nicht voller Gehässigkeit. Der Erlöser segne uns, aber nein, das tun wir nicht.«
    Verwirrt drehte er sich schließlich zu ihr um. Und war überrascht, ein junges, faltenloses Gesicht zu sehen – die Stimme hatte älter gewirkt, mit tiefem Timbre, fast ein bisschen heiser –, eingerahmt von glänzenden schwarzen Haaren, die so geschnitten waren, dass sie ihr gerade noch auf die Schultern reichten. Ihre großen Augen waren sehr dunkelbraun, und in den Augenwinkeln waren Fältchen, die nicht zu ihrem Alter passten. Sie trug ein rostbraunes Wollgewand, in das grüne Fäden eingewoben waren, aber das Gewand war nicht gegürtet und stand offen und enthüllte eine blassgrüne Leinenbluse, die so kurz war, dass sie einen sich leicht vorwölbenden Bauch sehen ließ. Aus ihren kleinen Brüsten schloss er, dass sie keineswegs schwanger war, sondern einfach nur die rundliche Weichheit der Heranwachsenden noch nicht hinter sich gelassen hatte.
    Sie sah ihm auf eine so scheue Weise in die Augen, dass er erneut überrascht war. »Wir nennen dich aus Respekt den Umnachteten. Und allen, die ankommen, wird von dir erzählt, wodurch wir sicherstellen, dass es hier keine Diebstähle, keine Vergewaltigungen, ja, überhaupt keine Verbrechen gibt. Der Erlöser hat dich dazu erwählt, seine Kinder zu bewachen.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Vielleicht.«
    »Ich hatte davon gehört, dass den Pilgern so nah beim Großen Grabhügel keinerlei Unbill zustößt.«
    »Jetzt weißt du, warum.«
    Domänenser war wie vor den Kopf geschlagen. Ihm fiel nichts ein, was er zu so einer Vorstellung hätte sagen können. Es war Wahnsinn. Es war … ja, es war unlauter.
    »Ist es denn nicht der Erlöser, der uns zeigt«, sagte die Frau, »dass Bürden unser aller Schicksal sind? Dass wir solche Erfordernisse auf unserer Seele annehmen müssen, und doch furchtlos, offen und entgegenkommend bleiben sollen?«
    »Ich weiß nicht, was der Erlöser zeigt – wem auch immer.« Sein Ton war härter, als er beabsichtigt hatte. »Ich trage genug eigene Bürden. Ich werde eure nicht annehmen – ich werde nicht für deine Sicherheit verantwortlich sein oder für die irgendeines anderen Pilgers. Das … das …« Das ist nicht der Grund, weshalb ich hier bin! Doch obwohl er diesen Satz so gern laut herausgeschrien hätte, drehte er sich stattdessen einfach nur um und stapfte zurück zur Straße.
    Pilger wichen ihm aus und machten ihm Platz, was seine Wut noch zusätzlich anfachte.
    Quer durchs Lager, den Blick auf die Dunkelheit weiter vorn gerichtet – die Dunkelheit, in deren kühler Umarmung er gerne wieder sein wollte – und auch auf die Stadt. Die feuchten grauen Mauern, die schmutzigen gepflasterten Straßen, die

Weitere Kostenlose Bücher