Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
nur, Lord, sieh, wie ich immer noch auf dich warte.
Weißglühendes Licht strömte aus den halb offenen Türen des Tempels, rollte in Wogen wie eine Flutwelle über den Platz; es war so stark, dass es die Leichname mit ihren ins Leere starrenden, milchigen Augen in Bewegung versetzte, dass ihre Köpfe hin und her rollten.
Als sie sich daran machten, den Platz zu überqueren, wogte das Licht überraschend kalt um ihre Schienbeine. Endest erkannte die nächsten toten Andii. Priester, die zu lange geblieben und von dem Feuersturm erwischt worden waren, den Endest gespürt, aber nicht gesehen hatte, als er durch die Korridore der Zitadelle geeilt war. Unter ihnen die Anhänger der verschiedensten Lager – von Silchas Ruin, von Andarist, von Anomander selbst. Von Drethdenan, Hish Tulla, Vanut Degalla – oh, auf diesem Platz, auf diesen geheiligten Pflastersteinen hatten wilde Kämpfe gewogt.
In der Geburt soll Blut sein. Im Tod soll Licht sein. Ja, dies war der Tag für Geburt und Tod, für Blut und Licht.
Sie näherten sich den Türen des Tempels, wurden langsamer, um die Wogen aus Licht zu beobachten, die die breiten Stufen herabstürzten. Ihr Farbton war dunkler geworden, als wären sie mit altem Blut verschmiert, aber die Macht wurde schwächer. Doch Endest Silann nahm eine Präsenz im Innern des Tempels wahr – etwas Zurückgehaltenes, jemand Wartendes.
Und er oder sie wartet auf uns.
Die Hohepriesterin? Nein. Von ihr spürte der Akolyth nichts.
Anomander machte den ersten Schritt auf die Steinstufen zu.
Und wurde dort aufgehalten, als ihre Stimme sie erfüllte.
Nein. Sei gewarnt, Anomander, teurer Sohn, aus Andiiblut wird eine neue Welt geboren. Verstehe mich. Du und deine Verwandten, ihr seid jetzt nicht mehr allein, dürft eure grausamen Spiele jetzt nicht mehr spielen. Es gibt jetzt … andere.
Anomander sprach. »Dachtest du etwa, ich würde überrascht sein, Mutter? Oder entsetzt? Es hat nie genügt, nichts weiter als eine Mutter zu sein, mit Händen zu erschaffen, die sich um niemanden schlossen. So viel von dir selbst herzugeben, nur um festzustellen, dass wir deine einzige Belohnung sind – wir Schlächter, wir Verräter.«
In dir ist neues Blut.
»Ja.«
Mein Sohn, was hast du getan?
»Genau wie du, Mutter, habe ich mich entschlossen, Veränderungen zu begrüßen. Ja, es gibt jetzt andere. Ich spüre sie. Es wird Kriege zwischen uns geben, und daher werde ich die Andii vereinigen. Der Widerstand endet. Andarist, Drethdenan, Vanut Degalla. Silchas ist auf der Flucht, genau wie Hish Tulla und Manalle. Der Bürgerkrieg ist jetzt vorüber, Mutter.«
Du hast Tiam getötet. Ist dir klar, was du damit angerichtet hast, mein Sohn? Ja, Silchas ist auf der Flucht, und was glaubst du, wo er hingeht? Und die Neugeborenen, die Anderen, welcher Duft wird sie jetzt anziehen, welcher Geschmack chaotischer Macht? Anomander, du suchst nach Frieden, indem du mordest, und jetzt fließt Blut, und es wird keinen Frieden mehr geben, nie mehr.
Ich verlasse dich, Anomander, Blut von Tiam. Ich verleugne alle meine ersten Kinder. Ihr sollt durch die Sphären wandern, jeglicher Aufgabe beraubt. Eure Taten sollen euch nichts einbringen. Euer Leben soll niemals endenden Tod hervorbringen. Das Dunkel – mein Herz – ist euch verschlossen, euch allen.
Und während Anomander reglos dastand, schrie Endest Silann hinter ihm laut auf und fiel auf die Knie, schlug sie sich blutig. Eine Hand aus Macht griff in ihn hinein, entriss ihm etwas, und war dann wieder verschwunden – und sie hatte ihm etwas genommen, oh, ja, das er eines Tages benennen würde: Hoffnung.
Er saß da und starrte in die flackernde Flamme der Lampe. Fragte sich, wie es kam, dass Loyalität so leicht den Platz der Verzweiflung einnehmen konnte, als würde man, wenn man eine solche Verzweiflung auf jemand anderen hetzte – einen gewählten Anführer –, sich selbst von allem freisprechen, das einem Schmerzen bereiten könnte. Loyalität, ja, der Austausch, der in beide Richtungen Kapitulation bedeutete. Die eine Seite gab jeglichen Willen auf, die andere jegliche Freiheit.
Der eine gab jeglichen Willen auf.
Der andere …
Das Schwert – ein armlanges Stück kupferfarbener Stahl – war in der Dunkelheit geschmiedet worden, in Kharkanas selbst. Als einziges Familienerbstück des Hauses Durav hatte die Waffe seit dem Tag, da sie in der Husst-Schmiede abgekühlt worden war, drei Besitzer gehabt, doch von den Verwandten, die vor Spinnock die Waffe in
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