Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
um seinen Hals, und er spürte ihre Tränen auf der Haut.
»Vater?« Seine Stimme kam ihm selbst fremd vor; sie klang zu dunkel und rau.
Blanche nickte und schluchzte wie ein verlorenes Kind – vermutlich, weil sie sich genau so fühlte. Seine Brust zog sich zusammen. Es war Mitgefühl für den Kummer seiner Schwester, das ihm diese beklemmende Enge verursachte. Mitgefühl für seine Mutter vielleicht. Aber nichts sonst , schärfte er sich ein.
Mit leicht verengten Augen sah er über Blanches Schulter zu Tudor. »Ich hoffe, Ihr erwartet nicht, dass ich Trauer heuchle, Sir.«
Niemand antwortete. Und Julian fragte sich, wie es kam, dass er sich mit einem Mal so allein fühlte. Einsamer, als er je in seinem Leben gewesen war.
Edmund besann sich seiner Gastgeberpflichten. »Kommt.« Er legte seinem Mündel die Hand auf die Schulter und führte sie alle zum Haus hinüber.
Owen Tudor saß in der Halle breitbeinig auf einem Ebenholzstuhl, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und die Finger zusammengelegt, sodass sie ein Dach formten. »Julian, es spielt jetzt keine Rolle mehr, dass ihr einander gram wart. Der Duke of York hat Waffen gegen den König geführt, verstehst du. Er hat etwas begonnen, dessen Ende niemand absehen kann. Erhat eine Lawine losgetreten. Und nicht nur dein Vater ist ihr zum Opfer gefallen.« Er sah Megan an. »Es tut mir leid, mein Kind, aber früher oder später musst du es erfahren: Dein Onkel, der Duke of Somerset, ist bei St. Albans gefallen.«
Megan blinzelte. Nach all den furchtbaren Nachrichten schien sie diesen Schlag kaum noch zu spüren. Der Duke of Somerset war der Bruder ihres Vaters gewesen. Aber es war nicht so, als habe er ihr je große Beachtung geschenkt. Sein Tod riss keine wirkliche Lücke in ihr Leben. Ihre Trauer war eher pflichtschuldig.
Edmund hingegen schien erschüttert. »Somerset ist tot? Wer in aller Welt soll York jetzt noch Einhalt gebieten?«
Sein Vater nickte. »Das ist in der Tat die Frage. Und sie betrifft euch beide in besonderem Maße.« Er sah seinen Sohn an, dann Julian. »Es wird Zeit, dass ihr entscheidet, wie ihr zu König Henry steht.«
Edmund musste nicht lange überlegen. »Er ist mein Bruder«, antwortete er. »So auf Anhieb fällt mir nichts ein, was ich nicht für ihn täte.«
»Wirklich? Wieso warst du dann letzte Woche nicht in St. Albans wie dein Bruder Jasper?«
Edmund breitete die Arme aus. »Ich hab doch nichts davon gewusst.«
»Keiner von uns hat eine schriftliche Einladung zur Schlacht bekommen, weißt du. Hättest du ein wenig mehr Interesse gezeigt, hättest du es gewusst. Aber ich bin nicht gekommen, um einem von euch Vorwürfe zu machen«, kam Tudor den Protesten seines Sohnes zuvor.
»Es hört sich aber verdammt danach an«, murmelte Julian.
Alle Blicke richteten sich auf ihn.
Der junge Mann gab vor, nichts davon zu bemerken. Er wandte den blonden Kopf und starrte aus dem Fenster. Eine fette Taube landete auf einem der oberen Zweige der Birke, der unter ihrem Gewicht bedenklich schaukelte. Kein sehr interessanter Anblick. Aber Julian war nicht wählerisch. Alles war ihm recht. Alles war besser als die Erinnerung, die sich natürlich dennocheinstellte, gerade weil er sie nicht wollte. Du bist eine Schande für dein Haus, Julian. Schlimmer als Robert …
»Hat der Duke of York den König etwa gefangen genommen?«, fragte Edmund unbehaglich.
Sein Vater zog die roten Brauen in die Höhe. »Du solltest ihn besser kennen. Er hat sich dem König nach gewonnener Schlacht zu Füßen geworfen und seiner unerschütterlichen Treue versichert.«
»Und der König war gerührt«, höhnte Julian.
Tudor nickte. »Der Duke of Somerset ist gefallen, der Duke of Suffolk ermordet. König Henrys vertraute Freunde werden rar. Die Königin ist sein letzter mutiger Ratgeber, aber er weiß ihren Rat nicht zu schätzen, weil sie eben kein Mann ist. Und da kommt Richard of York daher, stellt beeindruckend unter Beweis, welche Macht er in England besitzt, und bietet an, diese Macht in Henrys Dienst zu stellen. Was glaubt ihr wohl, was passiert? York wird Lord Protector. Und ihr könnt euch ausrechnen, wohin das führt.«
»Aber der König hat einen Sohn und Erben«, wandte Edmund ein.
Lady Juliana nickte. »Mögen Gott und alle Erzengel den kleinen Prinz Edouard behüten.«
»Oh, Mutter, es ist abscheulich, was du York da unterstellst«, wandte Julian entrüstet ein.
»Richard of York ist nicht der Ehrenmann, für den du ihn hältst,
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