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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Schneeballspiels schon überdrüssig, kam zu ihr gelaufen und legte seine kleine, kalte Hand in ihre.
    Blanche führte ihn über den tief verschneiten Hof zurück zu dem gedrungenen Bergfried mit dem Söller, der sie im Sommer so erfreut hatte. Jetzt hingegen war sie dankbar für den Schutz der dicken Mauern gegen den eisigen Wind, und sie betrat mit Richmond die kleine Kammer im zweiten Obergeschoss, die als Kinderstube diente, denn sie war der wärmste Raum der Burg.
    Richmonds Amme saß am Feuer, den Kopf über ihr Spinnrad gesenkt.
    Blanche seufzte. »Nun hör schon auf zu heulen, Generys. Du wirst sehen, in zwei Wochen kommen sie heim, siegreich und mit stolzgeschwellter Brust, darauf möchte ich wetten.«
    »Und was, wenn nicht?«, entgegnete das junge Mädchen, ohne aufzuschauen. Sie fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht und schniefte.
    Blanche fragte sich, wer es wohl sein mochte, um den Generys bangte. Sie tippte auf Rhys. Er war ein stattlicher junger Mann geworden, und wenn er gelegentlich einmal nicht dreinschaute, als wollte er am liebsten der ganzen Welt die Kehle durchschneiden, sah er gut aus.
    »Na ja, ich schätze, es bleibt uns nichts anderes übrig, als daran zu glauben«, entgegnete Blanche.
    Richmond zupfte seine Amme am Rock. »Spielst du Ball mit mir, Generys? Blanche kann nicht, sie ist schwerfällig wie ein alter Ochse, weil das Baby in ihrem Bauch so groß geworden ist.«
    Die beiden Frauen schmunzelten über den altklugen kleinen Kerl. Generys nahm sich zusammen und widmete sich ihrem Schützling. Richmond war kein ängstliches Kind, aber gewiss beunruhigte es ihn, dass alle Männer plötzlich aus Denbigh verschwunden waren. Sie wusste, sie durfte ihn mit ihrer Trauermiene nicht noch weiter verunsichern.
    Blanche setzte sich mit ihrem Strickzeug ans Fenster und sah dem wilden Ballspiel zu. Ausgelassen und lautstark tobten Amme und Kind durch das kleine Gemach – aus dem längst alle zerbrechlichen Gegenstände entfernt worden waren –, während es draußen vor dem Fenster wieder zu schneien begann. Erst fielen einzelne dicke Flocken, verdichteten sich allmählich, steigerten sich zu einem lautlosen Schauer, und Blanche stellte sich vor, wie er Jaspers Brustpanzer und Schultern weiß puderte, wie Männer und Pferde sich durch die erbarmungslose Kälte und den knietiefen Schnee kämpften, während die neuen Flocken die Spuren zudeckten, die sie eben erst gemacht hatten.Mehr als eine Woche verging, ohne dass sie Nachrichten hörten, und am letzten Tag des Monats hatte ein Schneesturm eingesetzt, der gewiss jeden Botenritt unmöglich machte. Zum ersten Mal, seit Blanche nach Wales gekommen war, bedrückten sie ihr Exil und die Abgeschiedenheit dieses Ortes, die Tatsache, dass sie so furchtbar weit weg von allen politischen Ereignissen war, von England und von zu Hause.
    In der dritten Sturmnacht setzten die Wehen ein. Blanche erwachte aus einem Albtraum, ihr Unterkiefer völlig verkrampft, als hätte sie längere Zeit die Zähne zusammengebissen. Als sie den ziehenden Schmerz spürte, wusste sie sofort, was er zu bedeuten hatte. Sie fragte sich, ob er schon länger da war und ihr den grauenvollen Traum beschert hatte. Mit weit geöffneten Augen lag sie in der Dunkelheit auf dem Rücken, strich mit den Händen über ihren gewölbten Leib und versuchte ohne großen Erfolg, das Traumbild zu verscheuchen. Blut im Schnee. Viel Blut, so als habe jemand aus einiger Höhe einen Krug auf die verschneite Erde entleert. Es war Jaspers Blut und doch nicht Jaspers. Jaspers Blut und doch nicht Jaspers . Der Gedanke war ebenso hartnäckig wie unsinnig. Blanche hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber sie wusste, Jasper war nicht tot. Noch nicht. Und ehe sie versuchen konnte, das Rätsel zu entwirren, wurde sie mit Nachdruck daran erinnert, dass Jaspers Kind hinaus ans Licht der Welt wollte.
    Die einzige Geburt, der sie je beigewohnt hatte, war Richmonds gewesen. Doch die ganze Schwangerschaft hindurch war es ihr geglückt, den Schrecken dieser Erinnerung auf Armeslänge von sich fernzuhalten. Sie wollte ihrem Kind nicht mit der albernen und obendrein sinnlosen Furcht vor der Niederkunft schaden. Also hatte sie sich wieder und wieder vorgebetet, dass sie nicht so zart war wie Megan. Blanche hatte sich selbst immer als robust und stark betrachtet. Sie hatte einen Gutteil ihrer Kindheit unter dem weiten freien Himmel von Kent verbracht, im Sattel zumeist. Sie war mit ihrem Bruder auf Bäume geklettert

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