Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
denke schon. Aber da unten sind die Marcher Lords.«
»Darum gehen wir nach oben. Zu den Gesindekammern. Ihr werdet einfach irgendeine Magd sein, die ausgerechnet heute Nacht ihr Kind bekommt, und das wird keinen Lord genug interessieren, um auch nur einen müden Blick auf Euch zu werfen.«
Wortlos folgte Blanche ihr zur Tür. Sie musste ihren ganzen Mut zusammennehmen, um die trügerische Sicherheit des halbdunklen Gemachs zu verlassen. Aber natürlich wusste sie, dass Generys’ Plan, so unsicher er auch sein mochte, ihre einzige Hoffnung war, Thomas Devereux nicht in die Hände … in die Hand zu fallen.
Vom anderen Ende des Ganges drang Fackelschein aus einer offenen Tür. Leise Stimmen waren dort zu hören.
Mit gesenkten Köpfen huschten die beiden Frauen zur Treppe und verschwanden nach wenigen Stufen im gewendelten Schatten. Zwei Stockwerke weiter oben klopfte Generys verhalten an eine Tür. Blanche lehnte neben ihr an der Wand und atmete stoßweise. Die Abstände zwischen den Wehen wurden jetzt merklich kürzer.
Die Tür öffnete sich. »Was ist los?«, fragte eine brummelige Frauenstimme auf Walisisch. Die Köchin, erkannte Blanche.
»Du musst uns helfen, Mabilia«, sagte Generys eindringlich. »Marcher Lords sind in die Burg eingedrungen. Sie suchen Lord Jasper.«
»Gott steh uns bei, er hat die Schlacht verloren …«, murmelte die Köchin.
Blanche schloss die Augen, und zwei Tränen stahlen sichunter den Lidern hervor. Bis zu diesem Augenblick hatte sie sich den Gedanken nicht gestattet, aber Mabilia hatte natürlich Recht.
»Es sieht danach aus«, stimmte Generys zu. »Einer der Marcher Lords ist Lady Blanches Mann.«
»Ach du Schreck«, sagte die Köchin, wenngleich sie ziemlich gelassen klang. »Stimmt es, dass Ihr ihm weggelaufen seid?«, fragte sie Blanche.
Nicht nur das, dachte Blanche, nickte aber lediglich.
»Wir müssen sie verstecken«, drängte Generys. »Er darf sie nicht finden. Und den Jungen auch nicht, verstehst du? Aber die Wehen haben eingesetzt.«
Ohne ein weiteres Wort öffnete Mabilia die Tür ganz, zog die Amme mit dem schlafenden Kind über die Schwelle und nickte auch Blanche einladend zu. Zögernd löste Blanche sich von der Wand, und als sie die Kammer betrat, legte die Köchin einen Arm um ihre Taille und führte sie zu ihrem Bett. Es war nur ein Strohsack am Boden mit zwei, drei rauen Wolldecken. Aber Blanche war dankbar, nicht länger auf ihren wackligen Beinen stehen zu müssen, und die Decken waren noch warm.
Mabilia breitete eine davon über ihr aus. »Weck die übrigen Mädchen, Generys. Eine soll den Jungen zu sich ins Bett nehmen. Die anderen schickst du runter in die Küche. Wir brauchen warmes Wasser, Leinen, ein scharfes Messer und vor allem Licht. Und sag Gladys, sie soll den Engländern etwas Heißes kochen. Vielleicht benehmen sie sich anständig, wenn wir höflich sind. Jetzt lauf, beeil dich.«
Generys verschwand, und Blanche sah auf den dunklen Umriss der Tür. Was sollte sie tun, wenn Thomas Devereux mit einer Fackel in der Hand hereinstürmte? Er würde sie erkennen. Wehen oder keine Wehen, er würde sie töten. Oder zurück nach Lydminster bringen, um lange Rache zu nehmen.
»Gott, mir ist so schlecht …«
»Schsch«, machte die Köchin. »Ihr müsst Euch beruhigen, Kindchen.« Aus einer Truhe holte sie ein grauverwaschenes Tuch, wie die einfachen Frauen es trugen, kniete sich nebenBlanche und band es ihr um den Kopf. »Da. Nichts mehr zu sehen von der schwarzen Lockenpracht. Und Euren kostbaren Mantel verstecken wir. Euer Gemahl wird Euch nicht erkennen, weil er hier nicht mit Euch rechnet. Und er hat Euch jahrelang nicht gesehen, oder?«
»Vier«, stimmte sie zu, doch sie war nicht beruhigt. »Mabilia, wenn Richmond ihm in die Hände fällt, ist Jasper erpressbar. Falls er überhaupt noch lebt. Und außerdem …«
»Nein, lasst gut sein, Kind«, unterbrach die Köchin energisch, aber sanft. »Wenn sie ihn suchen, heißt das, dass er noch lebt. Damit müsst Ihr Euch trösten. Und nun habt Ihr erst einmal ein Kind zu gebären. Ihr dürft Euch jetzt um nichts anderes Gedanken machen.« Sie nahm ihre Hand und drückte sie leicht. »Ihr seid nicht allein. Habt keine Angst. Ich hole die Hebamme aus dem Dorf, wenn es nötig wird, aber das erregt Aufsehen. Wir versuchen es erst einmal so. Ich habe neun Kinder geboren. Glaubt mir, ich weiß, was zu tun ist.«
Ihre Worte machten Blanche ein wenig Mut. »Und ich dachte immer, du kannst mich nicht
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