Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Ihr ernsthaft behaupten, dass Ihr jedem Einzelnen in Eurem Gefolge, jedem Angehörigen der Schwanengarde blind vertraut? Jeder von ihnen könnte York Euren Aufenthaltsort preisgegeben haben.«
»Wenn es nicht doch Euer Knappe war.« Sie stellte ihren Becher auf das Kaminsims, setzte sich auf den Tisch, nahmJulians Handgelenk und zog ihn näher. Er sträubte sich nicht. Das hatte er noch nie getan. Auf eine merkwürdige Weise wäre es ihm ungehörig vorgekommen, sie zurückzuweisen, denn sie war doch die Königin. Er wusste, das war ziemlich krank – so wie ihr ganzes vertracktes Verhältnis –, denn nicht seine Zurückweisung, sondern seine willige Bereitschaft, ihr gefügig zu sein, machte ihn zum Verräter. Seiner Miene war indessen wohl anzusehen, dass er es nicht sonderlich schätzte, wenn sie ihn einen »hinterhältigen Bastard« nannte.
Beinah reumütig lächelte sie ihn an. »Sei mir nicht gram, Julian.« Ihre Stimme konnte so einschmeichelnd sein, wenn es ihren Absichten diente. Und so eine Verlockung. Marguerite umschloss seine Beine mit den Schenkeln und verschränkte die Finger in seinem Nacken, sodass er gefangen war. »Ich kann es nicht aushalten, hier untätig herumzusitzen, das musst du doch verstehen.«
Es hatte mehr Ähnlichkeit mit einer Entschuldigung als alles, was sie je zuvor zu ihm gesagt hatte. Fast amüsiert zog Julian eine Braue in die Höhe. »So zahm, meine Königin?«
»Nur für den Moment«, erwiderte sie warnend, und sie lachten leise.
Julian legte die Hände um ihre Taille und ließ sie zu den Brüsten hochgleiten, als es vernehmlich klopfte.
Noch während Julian erschrocken zurückfuhr, sprang Marguerite vom Tisch, nahm ihren Becher vom Kaminsims und rief: »Herein!«
Lady Elizabeth Woodville, eine ihrer vertrautesten Damen, trat auf leisen Sohlen ein. Sie neigte den Kopf, und Julian dachte nicht zum ersten Mal, dass sie ein bezauberndes, anrührend scheues Lächeln hatte. »Ein englischer Bote, Madame«, meldete sie.
Marguerite nickte. Auf ein Zeichen der Hofdame trat Lucas Durham über die Schwelle, durchquerte den großzügigen Raum, warf Julian einen kurzen Blick zu, ohne zu lächeln, und sank vor Marguerite auf die Knie. »Meine Königin. Ich bringe Nachrichten von Somerset.«
Sie betrachtete ihn mit unbewegter Miene. Der sonst immer so kostbar gekleidete und makellos gepflegte Durham bot einen abenteuerlichen Anblick. Er trug volle Rüstung, aber den Helm hatte er offenbar im Vorraum gelassen, und sein Haar war verschwitzt und zerzaust, seine Wange zierte eine blutige Schramme. Schlammspritzer besudelten die Beinschienen, Blut seinen Brustpanzer.
»Keine guten Nachrichten, nehme ich an?«, fragte die Königin schließlich. »Also heraus damit. Hat York ihn überrannt?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil, Madame. York hat uns nicht überrannt und wird auch in Zukunft niemanden mehr überrennen oder um seinen Thron betrügen. Er ist gefallen, Madame. Richard of York ist tot.«
Ein Lächeln hatte sich auf Marguerites Gesicht ausgebreitet, das ungläubiges Staunen und Glückseligkeit zu gleichen Teilen auszudrücken schien. »Tot«, wiederholte sie leise.
Lucas blickte zu Boden und nickte.
Julian konnte sehen, dass sein Ritter alles andere als glücklich war, und schloss, dass es noch mehr Neuigkeiten gab. Es gelang ihm kaum, seine Neugierde zu zügeln. Er wollte Lucas mit Fragen bestürmen, aber das konnte er vor der Königin natürlich nicht tun.
Sie tat es schließlich für ihn. »Erhebt Euch, Sir Lucas. Seid Uns willkommen in Edinburgh. Berichtet Uns alles, und wärmt Euch am Feuer.«
Lucas stand auf und sah für einen Moment abwesend zum Kamin hinüber, als wisse er nicht, welchem Zweck die Flammen dienten. Er blieb, wo er war, und Julian erkannte mit sinkendem Herzen, wie schwer es seinem Freund fiel, der Königin in die Augen zu schauen.
»Als der Duke of Somerset hörte, dass York gen Norden gezogen war, um die schottische Grenze zu bewachen, folgte er ihm mit allen verfügbaren Männern und bezog Stellung in Pontefract. Das ist nicht weit von Yorks Burg in Sandal, wie Ihr sicher wisst. Ich kam mit Julians … mit Lord WaringhamsBogenschützen ebenfalls nach Pontefract. Alle Lancastrianer im Norden sammelten sich dort. Vor drei Tagen kam ein Späher zu Somerset und berichtete, dass York und seine Männer ausgerückt und nach Wakefield gezogen seien, um Proviant aufzutreiben. Wir sind sofort losgeritten. Der Duke of York …« Er unterbrach
Weitere Kostenlose Bücher