Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
und hatte mit ihm gerauft, wenn man sie ließ. Sie war alles andere als ein zartes Pflänzchen, und sie fürchtetesich nicht vor den Schmerzen einer Geburt. Und dennoch. In der Stille der eisigen Winternacht und unter dem Schatten des beunruhigenden Traums drohte der Mut sie zu verlassen.
Sie setzte sich behutsam auf, tastete nach dem Mantel, der am Fußende ihres Bettes lag, und schob den Vorhang zurück. Die stürmische Nacht draußen war finster, und im Zimmer war es ebenso dunkel wie hinter den Bettvorhängen, aber für einen Moment war es Blanche, als sehe sie unten im Hof ein Licht aufflackern. »Blödsinn«, murmelte sie vor sich hin. »Du fantasierst, Blanche of Waringham.«
Sie wickelte sich in ihren Mantel, tastete sich zur Tür, und dort kam die nächste Wehe. Blanche hielt inne, die Hand auf dem Türriegel, und wartete, bis der Schmerz verebbte.
Als sie auf den Gang hinaustrat, hörte sie schwere Schritte und Männerstimmen aus der Halle unten. Freude durchzuckte sie. Jasper! Sie waren endlich nach Hause gekommen …
»Wo ist der Offizier der Wache?«, verlangte jemand zu wissen. Ein Grenzländer, hörte Blanche. »Was ist das hier für eine Sauwirtschaft? Gibt es irgendwen, der dieses jämmerliche Häuflein befehligt?«
Blanche lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und presste die Hände links und rechts an die kalte Mauer. Das war keineswegs Jasper. Fremde waren nach Denbigh gekommen und in die Burg eingedrungen. Feinde. Was immer mit Jasper geschehen war, er hatte nicht verhindern können, dass die Yorkisten nach Wales kamen. Sie musste fliehen. Sie musste Richmond von hier fortbringen, und zwar auf der Stelle.
Aber sie konnte nicht. Die nächste Wehe kündigte sich an. Ihr Kind war eigensinnig wie sein Vater – es hatte sich den denkbar unpassendsten Moment ausgesucht, um der Welt seine Aufwartung zu machen.
»Wir haben alle Türme und Nebengebäude durchsucht, Mylord«, war von unten eine zweite Stimme zu vernehmen. »Niemand hier außer dem Gesinde und der kleinen Wachmannschaft. Das hier scheint das einzig bewohnte Gebäude zu sein.«
Als sei sie daran festgefroren, stand Blanche reglos an dieMauer gepresst, die Augen vor Entsetzen geweitet. Sie kannte diese Stimme.
»Dann durchsucht jede Kammer vom Dach bis zum Keller, Sir Thomas«, befahl der andere. »Wenn Tudor sich hier verkrochen hat, will ich ihn haben. Lebend, habt Ihr gehört?«
»Gewiss, Mylord«, sagte Blanches Gemahl beflissen. »Du, du und du. Kommt mit mir. Wir fangen oben an …«
Blanche hätte nicht gedacht, dass sie sich noch so schnell bewegen konnte. Doch sie hatte die Tür zur Kinderstube erreicht und war hindurchgeschlüpft, noch ehe der erste Stiefel auf der steinernen Treppe zu hören war. Lautlos zog sie die Tür hinter sich zu, und die Wehe, die jetzt kam, war so heftig, dass sie weiche Knie bekam. Ein wenig unsicher ging sie zum Bett hinüber. Etwas Glut war noch im Kamin, sodass sie Umrisse erkennen konnte. Die Amme und der kleine Richmond lagen dicht aneinandergeschmiegt und schliefen selig.
Blanche legte der jungen Frau die Hand auf den Arm und rüttelte zaghaft. »Generys«, wisperte sie eindringlich. »Wach auf. Wir müssen verschwinden. Sofort …« Sie konnte nicht weitersprechen, und ihr Körper krümmte sich, obwohl sie ihm das strikt untersagte.
Wie die meisten Frauen, denen die Sorge um kleine Kinder oblag, war Generys auf einen Schlag hellwach. »Was ist passiert?«
»Irgendetwas muss schiefgelaufen sein. Die Yorkisten sind hier. Hier in der Burg. Wir müssen den Jungen fortschaffen, und zwar schnell.«
Generys betrachtete sie kurz und schwang die Beine aus dem Bett. »Ihr könnt nirgendwohin gehen, Lady Blanche. Euer Kind kommt.«
»Was du nicht sagst … Aber einer der Marcher Lords da unten in der Halle ist mein Gemahl, verstehst du? Sie durchsuchen den Bergfried nach Jasper, sie werden jeden Augenblick hier sein, und wenn er mich findet, dann …«
»Oh mein Gott«, murmelte Generys, und für einen Moment sah sie so aus, als wolle sie einfach davonlaufen wie ein aufgeschrecktesFohlen. Aber dann nahm sie sich zusammen. Sie ergriff Blanches Hand. Die ihre war trocken und wunderbar warm. »Er wird Euch nicht finden und den Jungen auch nicht. Ich habe eine Idee.«
Generys hüllte das schlafende Kind in eine Decke, hob es hoch und trug es zur Tür. Diese öffnete sie lautlos einen Spalt breit und spähte hinaus. »Die Luft ist rein, Lady Blanche. Schafft Ihr’s bis zur Treppe?«
»Ich
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