Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
schläft er.«
Die Frauen hatten den kleinen Owen vom Hals bis zu den Füßen in feste Tücher gewickelt. Blanche wusste natürlich, dass man es so machen musste, damit die kleinen Glieder gerade wuchsen, aber sie fragte sich dennoch, was ihr Sohn wohl davonhielt, sich so gar nicht rühren zu können. Sie nahm ihn und wiegte ihn sacht, ohne es zu merken. Sie fühlte sich kräftiger, nicht mehr so zerschlagen, aber immer noch erschöpft.
»Habt ihr irgendetwas über Lord Jasper erfahren?«, fragte sie die walisischen Mägde.
»Nichts«, erwiderte Generys mit einem Kopfschütteln. »Wie gesagt, ich verstehe nicht, was die Engländer reden. Der Anführer, der Schwarzbärtige in der kostbaren Rüstung, ist ein walisischer Marcher Lord, und der Engländer mit der eisernen Hand versteht unsere Sprache auch, aber natürlich sagen sie uns nichts. Ich weiß nur, dass sie auf der Suche nach Lord Jasper sind. Aus irgendeinem Grund scheinen sie zu glauben, dass er nach Wales zurückgekehrt ist.«
Blanche richtete sich auf. »Wir müssen verschwinden. Generys, hol Richmond. Schärf ihm ein, dass er nur Walisisch sprechen und niemandem seinen Namen sagen darf.«
»Aber Lady Blanche, Ihr könnt unmöglich …«, wandte Generys unsicher ein.
»Oh doch, ich kann. Du wirst sehen. Helft mir auf die Füße.«
Mit zweifelnden Mienen zogen sie sie hoch. Blanche wurde schwarz vor Augen, aber es wurde gleich wieder besser. Es würde gehen, erkannte sie erleichtert. Vielleicht nicht besonders gut, aber das spielte keine Rolle.
Während Generys hinausschlüpfte, fragte die Köchin: »Wo wollt Ihr denn hin, Lady Blanche? Solltet Ihr das vergessen haben: Es ist Winter da draußen. Und ein Säugling fällt ihm schnell zum Opfer.«
Blanche schauderte. Aber sie erwiderte entschlossen: »Nach Pembroke.«
Mabilia sah sie an, als zweifle sie an ihrem Verstand. »Das müssen zweihundert Meilen sein.«
»Aber der einzige Ort, wo wir sicher sind. Würdest du uns ein wenig Proviant zusammenpacken?«
Die Köchin zögerte noch. »Lord Jasper wird es mir nicht danken, wenn ich seinen Neffen, seinen Sohn und seine Frau ins Verderben rennen lasse.«
»Ich bin nicht seine Frau«, entgegnete Blanche ungeduldig. »Sondern die des Ungeheuers mit der eisernen Hand dort unten. Wenn er mich entdeckt, wird er mich und mein Kind töten, verstehst du? Und Gott allein weiß, was sie mit Richmond täten. Ich habe keine Wahl.«
Mabilia gab schweren Herzens nach. »Also gut. Ich packe Euch Proviant zusammen.«
Ohne verdächtige Hast überquerten sie den Burghof. Blanche hielt den kleinen Owen im Arm, Generys führte Richmond an der Hand, der nur unwillig in den ungewohnten Holzschuhen neben ihr her stapfte und allenthalben über die Schulter zurückschaute. Sie hatten ihn ebenso in schlichte, bäuerliche Gewänder gekleidet wie Blanche, die Mabilia ihren Mantel geschenkt und sich dafür den ihren geborgt hatte. Außerdem trug sie das Kopftuch jetzt so gebunden, dass es tief in die Stirn gezogen war und ihr Kinn bedeckte, genau wie Generys es tat. Sie sahen aus wie Schwestern.
»Meine Füße sind kalt«, quengelte Richmond.
»Schsch«, machte Blanche eindringlich. »Nimm dir ein Beispiel an deinem Vater und sei tapfer. Und jetzt halt den Mund.«
Sie kamen ans Tor. Zwei der englischen Soldaten, die die Marcher Lords mitgebracht hatten, standen auf Wache.
Die kleine Gruppe ging an ihnen vorbei, ohne sie anzuschauen, aber einer der Männer glitt vor sie und breitete die Arme aus. »Halt, halt! Wo soll’s denn hingehen, ihr Hübschen? Ihr könnt hier doch nicht einfach so rausspazieren.«
Blanche hielt ihm mit ausgestreckten Armen das Neugeborene hin. »Mein Kind«, stammelte sie und bemühte sich um einen walisischen Akzent. »Taufe. Bitte?«
»Ach so«, sagte der Soldat gutmütig. »Na, dann mal los und Gottes Segen.«
Blanche und Generys knicksten hastig, durchschritten das Tor von Denbigh Castle mit klopfendem Herzen und schlugen den Weg hügelabwärts zum Dorf ein. Sie kamen nur quälend langsam voran. Der Schnee lag beinah eine Elle hoch. Noch ehesie die ersten Häuser erreicht hatten, fing der kleine Richmond an zu weinen, weil ihm so furchtbar kalt war, und Generys hob ihn auf den Arm und trug ihn.
Sie tauschte einen besorgten Blick mit Blanche. »Das waren zweihundert Yards«, bemerkte sie. »Wie wollen wir zweihundert Meilen schaffen?«
»Wir laufen, bis es dunkel wird«, antwortete Blanche und schlang den Mantel der Köchin fester um ihr
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