Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
euch nehmen, den kleinen Lord Richmond vor den Klauen der bösen Yorkisten zu bewahren, und habt ihn aus Denbigh herausgeschmuggelt, ja?« schnauzte er sie an. Der kleine Owen wachte auf und begann zu schreien. Devereux hob die Stimme: »Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!«
Blanche hatte keine Wahl. Langsam hob sie den Kopf, sah ihrem Gemahl für einen winzigen Moment in die Augen und blickte dann gleich wieder weg. »Wir sind seine Ammen, Mylord«, sagte sie auf Walisisch und bemühte sich um einen unterwürfigen Tonfall. »Wir müssen ihn doch beschützen …«
Devereux schnaubte. »Und zu dem Zweck verschleppt ihr ihn in die Wildnis? Was glaubt ihr denn, was wir mit dem Bübchen vorhaben? Hat Jasper Tudor euch erzählt, die Yorkisten fressen kleine Kinder? Oder steht ihr vielleicht insgeheim in Kontakt mit ihm und wolltet ihm seinen Neffen bringen, he?«
Blanche war fassungslos. Thomas hatte sie nicht erkannt. Er hatte dem kleinen Richmond die Ähnlichkeit mit dessen Vater angesehen, aber seine eigene Frau erkannte er nicht. Weil sie so unbedeutend für ihn war. Doch sie wagte noch nicht zu hoffen, dass seine Geringschätzung ihre Rettung sein sollte.
Generys schüttelte emsig den Kopf. »Nein, Mylord«, beteuerte sie und wiederholte die Lüge, die die Köchin in der vergangenen Nacht schon vorgebracht hatte: »Wir haben ihn seit Weihnachten nicht gesehen.«
»Wie sonderbar«, gab Devereux sarkastisch zurück. »Wissen wir doch genau, dass er Ende Januar von Denbigh losmarschiert ist. Ich bin versucht, dir das Lügen auszutreiben, aber dazu fehlt uns die Zeit.« Unvermittelt packte er Richmond unter den Achseln und reichte ihn einem seiner Männer. »Hier, Davies. Bring ihn Lord Herbert, mit den besten Empfehlungen. Ich muss zurück nach Hereford.« Er trat zu seinem Pferd und nickte den beiden jungen Frauen im Vorbeigehen zu. »Ihr könnt verschwinden oder ihm zurück nach Denbigh folgen, wenn er euch wirklich so teuer ist. Mir ist es gleich.«
Richmond wand sich in den Armen des fremden Mannes. »Lass mich!« Er war zu Tode verängstigt. »Generys! Generys, hilf mir! Blanche! Lasst mich nicht allein!«
Devereux’ Kopf fuhr herum. Blanche hatte sich schon halb abgewandt, sah aus dem Augenwinkel, wie er den Fuß aus dem Steigbügel nahm, von dem weinenden kleinen Jungen zu ihr schaute, und dann machte er zwei langsame Schritte auf sie zu. »Lass mich dich noch mal ansehen, Mädchen.« Er sprach langsam. Ungläubig. »Wie ist dein Name?«
Wäre das weinende Kind in ihrem Arm nicht gewesen, die elende Schwäche, das Blut, das ihre Beine hinabrann – sie wäre gerannt. In diesem Augenblick nackter Angst war sie überzeugt, ein Pfeil in den Rücken wäre allem anderen vorzuziehen. Aber sie konnte nicht rennen. Sie konnte kaum noch stehen. Also hob sie den Kopf und sah Thomas Devereux in die Augen. »Ich bin verwundert, dass du ihn noch weißt.«
Er blieb vor ihr stehen. Seine Brust hob und senkte sichsichtlich, und er stieß gewaltige Atemwolken aus. »Teufel noch mal«, murmelte er kopfschüttelnd. »Teufel noch mal.« Langsam hob er die eiserne Rechte, hakte den Daumen an der Schläfe unter ihr Kopftuch und riss es herunter. Er war verblüffend geschickt, und er tat ihr auch nicht weh, aber Blanche erstarrte, als sie den kalten Finger auf der Haut spürte.
Als sie mit offenen Haaren vor ihm stand, leuchteten seine Augen. »Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie ich dich vermisst habe.«
Blanche regte sich nicht. Ihr war, als könne sie sich gar nicht mehr rühren, selbst ihr Gesicht schien versteinert. Was wird er mit meinem Kind tun?, war der einzige Gedanke, dessen sie fähig war. Was wird er mit meinem Kind tun?
Thomas Devereux, der doch so große Stücke auf die Wahrung des Scheins hielt, besann sich, dass er nicht allein mit seiner Gemahlin war. Er wandte sich an seine Männer. »Du und du«, sagte er zu dem, der den strampelnden Richmond gepackt hielt, und dessen Nebenmann. »Ihr bringt den Bengel zurück. Nehmt meinethalben die Amme mit. Wir reiten weiter«, bekundete er den anderen beiden. »Und sie wird uns begleiten.« Sein Finger zeigte auf Blanche. »Sie ist eine englische Verräterin, mit der ich noch eine ganz persönliche Rechnung offen habe.«
Auf sein Zeichen fesselte einer der Männer Blanches rechtes Handgelenk mit einem dünnen Lederriemen an Devereux’ Steigbügel. Als Thomas den Fuß in das Eisen stellte, tropften Schneematsch und Schlamm auf ihre Hand hinab. Dann
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